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Leichenschänder

Titel: Leichenschänder
Autoren: Jürgen Benvenuti
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Stefans Wohnung gefunden hatte. Irgendwo hatte ich mal gelesen, dass zu transplantierende Organe in einer Art Nährlösung aufbewahrt wurden. Handelte es sich bei der gefundenen Flüssigkeit um Nährlösung? Hatte Mikanuda das Herz, das er Stefan herausgeschnitten hatte, in einer mit Nährlösung gefüllten Box transportiert?
    Alles Fragen, auf die ich keine Antworten wusste.
    Und da gab es noch etwas, das mich beschäftigte.
    Die Fotos, die ich in Stefans Wohnung geschossen hatte. Warum war Mikanuda so ein gewaltiges Risiko eingegangen, um sie sich zu beschaffen? Offensichtlich war er in Panik geraten, als ihm klargeworden war, dass er den verräterischen Zigarillostummel in Stefans Wohnung zurückgelassen hatte. Doch warum hatte er mich überfallen? Er musste doch wissen, dass die Polizei sowohl den Stummel als auch Fotos davon hatte. Was nützte es Mikanuda, nur meine Fotos zu stehlen?
    Andererseits war Mikanuda ein voll ausgebildeter Irrer, in dessen Hirn etliche Drähte durchgeschmort waren, und von so jemandem konnte man keine rationalen Handlungen erwarten.
    Ich warf den Notizblock zur Seite, kletterte vom Bett, öffnete das Fenster und genoss die kühle Abendluft. Mein Schädel rauchte von all dem Nachdenken.
    Nach ein paar Minuten schloss ich das Fenster wieder, machte mir eine Tasse Tee und rief Chefinspektor Wachtelgruber an. Vielleicht konnte er einige meiner Fragen beantworten.
    Konnte er nicht. Er sei erst morgen Früh wieder im Kommissariat, wurde mir mitgeteilt.
    Es gab noch eine Sache, die ich überprüfen wollte, bevor ich ins Bett ging. Ich holte das Foto, das ich in Mikanudas Wohnung gefunden hatte, aus meiner Manteltasche und tippte die Zahl, die auf der Rückseite stand, in mein Telefon.
    „Wer spricht da?“, meldete sich ein Mann, ohne sich vorzustellen.
    Das war auch nicht nötig.
    Ich kannte ihn.

Zehn
    Am nächsten Morgen stand ich um sieben auf, machte mir einen Kaffee und rief Chefinspektor Wachtelgruber an. Ich fragte ihn, ob die Spurensicherung einen Zigarillostummel in Stefan Andergasts Wohnung sichergestellt habe.
    „Dafür müsste ich erst die Listen durchschauen“, sagte Wachtelgruber.
    „Würden Sie das für mich tun? Es ist wirklich wichtig.“
    Wachtelgruber seufzte und sagte: „Das dauert aber ein Weilchen.“
    „Kein Problem“, sagte ich, zündete mir eine Zigarette an und wartete.
    Nach ein paar Minuten meldete sich Wachtelgruber wieder und meinte, seine Leute hätten keinen Stummel gefunden.
    „Sind Sie sicher?“, fragte ich. „Er müsste in einem Blumentopf am Fensterbrett gesteckt sein.“
    „Hören Sie, Breitmaier, wenn in meiner Liste kein Zigarillostummel steht, dann wurde auch keiner gefunden.“
    „Und auf den Tatortfotos ist auch keiner zu sehen?“
    „Sie rauben mir langsam den letzten Nerv, wissen Sie das?“
    Ich bat den Chefinspektor eindringlich, sich die Tatortfotos für mich anzuschauen, und schließlich gab er nach. Es würde aber, wie gehabt, ein Weilchen dauern.
    Ich rauchte meine Zigarette, trank meinen Kaffee und wartete.
    Schließlich sagte Wachtelgruber: „Ich muss Sie enttäuschen. Auf keinem der Tatortfotos ist ein Zigarillostummel zu sehen.“
    „Verdammt“, murmelte ich.
    „Mäßigen Sie Ihre Ausdrucksweise, junger Freund“, sagte Wachtelgruber.
    „Tut mir leid“, log ich.
    „Warum interessieren Sie sich eigentlich für diesen Zigarillostummel?“
    „Ich hab da so eine Theorie“, sagte ich.
    „Ich gebe Ihnen einen guten Rat“, sagte Wachtelgruber. „Überlassen Sie die Polizeiarbeit den Profis.“ Dann legte er auf.
    Ich trank meinen Kaffee aus und fragte mich, was zum Teufel hier los war.
    Kannten Wachtelgruber und Steinkopf einander und hatte der Chefinspektor den belastenden Zigarillostummel samt Fotos verschwinden lassen, um dem Politiker einen Gefallen zu tun?
    Oder handelte es sich hier bloß um einen weiteren Fall von typisch österreichischer Schlamperei, die auch vor der Polizeiarbeit nicht Halt machte?
    Verschwörung oder Zufall?
    Jetzt gab es nur noch eine Person, die mir helfen konnte, Klarheit in diese verworrene Geschichte zu bringen. Allerdings war ich mir ziemlich sicher, dass diese Person mir nicht freiwillig helfen würde.
    Ich brauchte einen Plan.
     ♦ ♦ ♦
    Eine Dreiviertelstunde später traf ich, frisch geduscht und in meine schicksten Klamotten gehüllt, in der Redaktion ein, wo ich schnurstracks in Hubers Büro marschierte.
    „Was wollen Sie, Breitmaier?“, fragte mein Boss. „Sehen Sie
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