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Leichenschänder

Titel: Leichenschänder
Autoren: Jürgen Benvenuti
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in Heiligenstadt. Glitzermann ist zurzeit nicht verfügbar, und Sie treiben sich irgendwo in der Weltgeschichte herum! Die Konkurrenz ist sicher schon längst vor Ort!“ Die Speichelpartikel, die aus Hubers Mund spritzten, tränkten meinen Mantel.
    Ich warf ihm den Umschlag auf den Schreibtisch, den ich erst vor ein paar Minuten vom
Fotokarussell
abgeholt hatte.
    Huber riss den Umschlag auf, betrachtete die Fotos mehrere Sekunden lang mit andächtigem Schweigen und sagte dann: „Erstklassige Arbeit, Breitmaier! Während die Konkurrenz noch auf dem Weg zum Unfall ist, bringen Sie mir bereits die fertigen Bilder. Gratuliere.“ Er kam hinter seinem Schreibtisch hervor, stellte sich auf die Zehenspitzen und klopfte mir auf die Schulter.
    „Ich hoffe, die Fotos sind nicht zu dezent“, sagte ich, ohne eine Miene zu verziehen.
    „Aber nein, sie sind perfekt“, sagte Huber mit glänzenden Äuglein. „Wieso waren Sie eigentlich so schnell am Unfallort?“
    „Intuition, Herr Huber.“
    „Ah, verstehe“, flüsterte er verschwörerisch. „Der richtige Riecher. Ich hab schon immer gewusst, Sie haben das Zeug zu einem erstklassigen Journalisten, Breitmaier! Weiter so.“ Er klopfte mir nochmals auf die Schulter, und damit war ich entlassen.
    Ich suchte mir einen freien Schreibtisch und hackte den Artikel über den Unfall runter, wobei ich sowohl meine Rolle bei Mikanudas Flucht auf die Straße wegließ als auch dessen Verbindung zu Steinkopfs Tochter oder die Möglichkeit, dass der Irre der Mörder von Stefan Andergast war.
    Als ich fertig war, gab ich den Text Frau Sommer, die sich im Kopierraum vor Huber versteckte, zum Überarbeiten und fuhr nach Hause.
    Dort stellte ich mich unter die Dusche, würgte eine Schüssel Haferflocken mit lauwarmem Wasser hinunter und setzte mich aufs Bett, mit meinem Notizblock und einem Stift bewaffnet, um endlich etwas Klarheit in diese verworrene Angelegenheit zu bringen.
    Angefangen hatte die Geschichte damit, dass jemand Hunde und Katzen abschlachtete. Kurz darauf wurde Stefan umgebracht, anscheinend vom selben Täter. Was fehlte, war ein plausibles Motiv. Würde ein fanatischer Vegetarier Hunde und Katzen massakrieren und an den Tatorten Einwickelpapier für Hamburger zurücklassen, um die Gesellschaft aufzurütteln und ihr klarzumachen, dass für die Fleischproduktion Tiere getötet wurden?
    Vielleicht.
    Würde ein fanatischer Vegetarier auch einen Mord an einem Menschen begehen, um seine Botschaft in der Bevölkerung zu verbreiten?
    Möglich.
    Aber ich glaubte nicht daran. Ich war mir ziemlich sicher, dass Bodo Mikanuda der Mörder von Stefan war. Aber hatte er auch diese Hunde und Katzen abgeschlachtet, um medienwirksam einen irren Vegetarier zu inszenieren, dem man dann den Mord an Stefan anhängen konnte?
    Oder hatten die Tiermorde und der Mord an Stefan nichts miteinander zu tun? Gab es einen Tiermörder, dessen in allen Zeitungen nachzulesende Vorgehensweise Mikanuda einfach kopiert hatte, in der Hoffnung, dass der Verdacht damit automatisch auf den Tiermörder fallen würde? Aber falls das stimmte, welches Motiv hatte dann Mikanuda, Stefan zu töten? Und, noch wichtiger, in wessen Auftrag hatte er gehandelt?
    Fragen über Fragen.
    Und noch eine Frage beschäftigte mich. Warum war Stefan mit einem Stich in den Hals getötet worden? Mikanuda war ein ehemaliger Chirurg. Wäre für ihn ein Stich ins Herz nicht ein Leichtes gewesen, und dazu noch sicherer, weil garantiert tödlich? Doch Stefan war an einem einzigen Stich in die Karotis gestorben. Was, wenn Mikanuda sie beim ersten Mal verfehlt hätte und Stefan trotz des Angriffs mit dem Elektroschocker zu sich gekommen wäre und sich gewehrt hätte? Warum sollte ein schmächtiger Mann wie Mikanuda so ein Risiko eingehen?
    Die einzige Antwort, die mir einfiel, war: um das Herz von Stefan nicht zu verletzen.
    Und hier kam die Verbindung zu Agnes Steinkopf ins Spiel. Die Tochter des Politikers hatte mit Mikanuda studiert, und sie brauchte dringend ein Spenderherz, oder sie würde sterben.
    Mikanuda war ein verzweifelter Mann, und Steinkopf ein einflussreicher Politiker. Einflussreich genug, um für seine todkranke Tochter eine illegale Herztransplantation und auch gleich das Herz selbst zu organisieren?
    Klang das nach einer plausiblen Möglichkeit? Oder bloß nach einer dieser Räuberpistolen, aus denen der Großteil von
Voll Dran!
bestand?
    Dann war da noch diese ominöse Flüssigkeit, die der Spurensicherer auf dem Boden von
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