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Leichenschänder

Titel: Leichenschänder
Autoren: Jürgen Benvenuti
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und sagte: „Drei oder vier, würd ich sagen. Ab und zu laufen mir noch ein paar Studenten oder Praktikanten über den Weg. Warum fragst du?“
    „Weil das viel zu wenig Leute sind für eine so große Zeitung wie
Voll Dran!
. Schau dir nur all unsere Rubriken an, unsere Serien und dann die tagesaktuellen Artikel. Glaubst du, dafür würden drei oder vier Journalisten plus ein paar Studenten und Praktikanten ausreichen?“
    „Keine Ahnung. Ich bin nur der Fotograf. Der Rest interessiert mich einen Scheiß.“
    „Irrtum, mein Lieber, du
warst
nur der Fotograf. Ab jetzt bist du ebenfalls Journalist. Und wenn dir das nicht passt, fliegst du raus. Du wärst nicht der Erste.“
    „Wieso stellt Huber nicht einfach ein paar zusätzliche Schreiberlinge ein, wenn wir zu wenig Personal haben?“
    „Ausgebildete Journalisten kosten Geld, und Huber will dieses Geld lieber in seine Fischsammlung investieren. Außerdem können die Journalisten, die bei
Voll Dran!
stranden, nicht besser schreiben als du oder ich.“
    „Willst du damit sagen, dass du neben deiner Knipserei auch noch Artikel schreibst?“, fragte ich ungläubig.
    Glitzermann grinste mich an. „Natürlich. Jeder, der bei
Voll Dran!
arbeitet, schreibt Artikel. Sonst würde das Blatt nicht voll werden.“ Er hielt einen Moment inne, überlegte kurz und sagte: „Na ja, nicht jeder. Die Putzfrau wurde von Huber bisher noch nicht gefragt. Aber sobald sie ihren Deutschkurs abgeschlossen hat, kommt das sicher noch.“
    Ich starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an und sagte: „Und das funktioniert?“
    „Natürlich“, sagte Glitzermann und schaltete in den vierten Gang. „Alle Texte landen bei Frau Eisenhut oder bei Frau Sommer. Die beseitigen die gröbsten Fehler, und den Rest erledigt das Rechtschreibprogramm der Textverarbeitung.“
    „Das darf doch nicht wahr sein.“
    „Doch, doch, mein Lieber“, sagte Glitzermann, „das ist wahr. Wie wahr, das merkst du spätestens nächste Woche, wenn dein eigener Artikel fällig ist.“
    Reizende Aussichten.
    „Und wie ich Huber kenne, hat er schon ein Thema für dich, oder?“, fuhr Glitzermann fort.
    „Eigentlich nicht. Er hat mich nur gefragt, wieso ich ihm nicht mal eine Geschichte über diese Tiermorde bringe.“
    „Na also!“, rief Glitzermann. „Da hast du dein Thema. Normalerweise schreibe ich ja diese Serie, aber im Moment hab ich dafür keine Zeit. Mensch Breitmaier, das ist
die
Chance!“
    „Ja,
die
Chance, mich tödlich zu blamieren.“
    „Keine Angst, du verwendest natürlich ein Pseudonym. So kannst du den größten Schrott schreiben und dir dennoch einreden, dass du damit eigentlich nichts zu tun hast. Es ist wie eine Rolle im Theater. Du ziehst dir dein Kostüm an und schmierst dein Zeug hin, und danach ziehst du dich wieder um, schminkst dich ab und gehst nach Hause. Glaub mir, man gewöhnt sich ziemlich schnell daran.“
    Glitzermann steckte sich eine verspiegelte Sonnenbrille ins Gesicht und starrte geradeaus. Damit war das Gespräch beendet.
    Ich sollte also einen Artikel über diese Hunde- und Katzenmorde schreiben. Dabei interessierten mich die Viecher nicht die Bohne. Und diese in Wien geradezu grassierende Haustiervernarrtheit hatte ich ohnehin noch nie verstanden. Bevor ich so ein Viech in meine Wohnung ließe, würde ich mich nackt in ein Altersheim stellen und
Wer will mich?
rufen.
    Aber so, wie es ausschaute, hatte ich wohl keine Wahl.
    Als wir beim Möbelmarkt ankamen, war es fast halb zehn. Glitzermann kurvte fünf Minuten erfolglos um den vollbesetzten Parkplatz und ließ den Fiesta schließlich neben dem Eingangstor stehen. Wir packten unsere Fotoausrüstungen aus und trabten hinüber zum Pulk der wartenden Journalisten und Fotografen der anderen Blätter. Glitzermann kannte so ziemlich jeden und jede, und bald hatte ich ihn aus den Augen verloren. Ich hatte keine Ahnung, weshalb Huber gleich zwei Fotografen zu diesem Termin abkommandiert hatte. Vielleicht wollte er, dass ich der Konkurrenz im Weg stand.
    Ich schlenderte zum Eingang des Möbelmarktes hinüber und betrachtete die Idioten, die eigens wegen dieses gelifteten Schauspielers bis nach Simmering hinausgefahren waren, das praktisch am Ende der Welt lag, ganz in der Nähe des Zentralfriedhofs. Offensichtlich waren Beerdigungen und Eröffnungen von Möbelmärkten die einzigen Vergnügungen, die es hier heraußen gab.
    Horden turnbeschuhter Väter und babyschwingender Mütter warteten schon ungeduldig auf den Startschuss,
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