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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose
Autoren: Sonia Marmen
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erwartete, zurücklassen musste. Aus diesem Grund hatte er seine Flucht so lange hinausgezögert. Doch nun konnte er nicht länger bleiben, ansonsten warteten ein Prozess und das Gefängnis auf ihn.
    Duncan umschlang Marion und strich über ihren Leib, den er mit Leben erfüllt hatte. Das vermochte er ihr niemals mit Gleichem zu vergelten. Was konnte ein Mann schon einer Frau zurückgeben, die ihm das Wunder des Lebens schenkte, ein Kind? Nichts außer seiner Liebe.

    Unter seinen Fingern spürte er eine Bewegung. Sein Herz tat einen Satz.
    »Duncan … Hast du es gefühlt?«
    »Ja …«, flüsterte er.
    Er hatte die flüchtige Regung einer Hand oder eines Fußes wahrgenommen; wie ein kleiner Fisch, der eine glatte Wasseroberfläche zum Beben bringt. Leicht, kaum wahrnehmbar, aber vollständig real. Sein Kind … Ihm fehlten die Worte.
    »Duncan Og …«
    »Bitte?«
    »Er soll Duncan Og heißen. Und wenn es ein Mädchen wird … ähem … Dann möchte ich, dass wir es Margaret nennen, das war der Name meiner Mutter.«
    »Gut, also Margaret.«
    Marion lächelte strahlend. Er drückte sie fester an sich. Das Leben, das so grausam und unerbittlich sein konnte, war manchmal auch so freigebig. Kurz dachte er an seinen Bruder Ranald und an Colin. Dann sah er nach unten und erblickte die beiden eng umschlungenen Gestalten, die vor einem frischen Grab standen. Seine Mutter erholte sich langsam vom Tod ihrer beiden Söhne. Sie hatte ihm von Stephen erzählt und ihm das Geheimnis anvertraut, das sie so viele Jahre lang bewahrt hatte. Die Zeit würde ihr dabei helfen, nur die Zeit vermochte das …
    In der Ferne grollte der Himmel, und ein Berg dunkler Wolken, die der Wind herantrug, drohte mit Gewitter. Duncan schloss die Augen und genoss die kurze Atempause, die ihnen gegönnt war. Heute Abend würde ein Unwetter niedergehen. In den Highlands dauerten die friedlichen Momente niemals lange.

    Auf den Kieseln ausrutschend und an meinem Rock zerrend, dessen Saum sich immer wieder festhakte, folgte ich Liam über den schmalen Weg, der zum Ufer hinabführte. Es herrschte Ebbe, und einige dicke, mit grünen, seidig glänzenden Algen überzogene Steine boten den Sumpfschnepfen, die sich dort ihr Futter holten, ein Festmahl.
    Liam war in Schweigen verfallen. Ich mochte nicht noch einmal die Sprache auf das bringen, was in jenem Zimmer in der
Herberge zwischen mir und Colin gewesen war. Diese Erinnerung hatte ich in einen entlegenen Winkel meines Gedächtnisses verbannt. Colin war tot, und aus Achtung vor seiner Seele hätte ich … Aber Liam hatte erneut daran gerührt, und die Worte waren mir entschlüpft. Ich war bedrückt, doch jetzt war es zu spät.
    »Eigentlich darf ich dir nicht böse sein«, erklärte er schließlich in einem harten Ton, der mich ein wenig verdross.
    Ich setzte den Fuß auf eine der glitschigen Inseln und geriet aus dem Gleichgewicht. Im letzten Moment packte mich ein Arm und hielt mich fest. Liams Gesicht befand sich nur ein, zwei Zoll von meinem entfernt; er sah mich betrübt an.
    »Im Grunde meines Herzens habe ich das wahrscheinlich geahnt«, meinte er ernst. »Ich … Ach Caitlin! Es tut mir schrecklich leid; ich wollte gar nicht wieder davon anfangen. Es tut zu weh.«
    »Ich weiß.«
    Er drückte mich fester an sich und zog mich auf den nächsten Stein, der weiter aus dem Wasser ragte und trocken und flach war. Ich hielt mich an seinem Plaid fest.
    »Seit dem Beginn der Erhebung ist unser Leben nichts als ein Chaos gewesen, und…«
    Er zögerte; seine Stimme hatte jetzt weicher geklungen. Sein Kiefer zuckte. Mit einem Mal hob er mich mit dem Arm, der immer noch um meine Taille lag, in die Höhe, drehte sich einmal um sich selbst und schob mich dann gegen die Felswand hinter uns. Lächelnd öffnete er den Mund, um weiterzusprechen, doch nur ein rauer Laut kam über seine Lippen. Er seufzte.
    »Caitlin, a ghràidh mo chridhe «, murmelte er schließlich. »Wer bin ich, dass ich ein Urteil über dich sprechen könnte?«
    Ein Schauer überlief ihn.
    »Vergeuden wir nicht das, was Gott uns gewährt. Lass uns all das als ein Geschenk betrachten, als zweite Chance.«
    Meine Kehle war wie zugeschnürt, und ich nickte schweigend. Er lächelte zärtlich, und dann berührten seine warmen, feuchten Lippen meinen Mund und übermittelten mir sein Zittern. Ein Schweißtropfen lief an seiner Schläfe entlang, hängte
sich an ein silbernes Härchen und lief dann in seinen kupferfarbenen, vollen Schopf hinein. Sein Hemd
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