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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose
Autoren: Sonia Marmen
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andere Seite getan, weißt du noch?«
    »Ja«, antwortete ich leise und schlug die Augen nieder.
    Wie hätte ich das vergessen können? Als er sah, wie aufgewühlt ich war, küsste er mich auf die Stirn und hob mit einem Finger mein Kinn an.
    »Aber ich habe es nicht eilig, dorthin zu gelangen, a ghràidh . Gott hat mir einen guten Grund gegeben, meinen Aufenthalt auf
Erden ausdehnen zu wollen, so schmerzhaft er manchmal auch ist. Und dieser Grund bist du. Ich liebe dich, Caitlin. Ich weiß, dass unsere Körper sich eines Tages trennen werden. Aber im Jenseits werden wir uns wieder finden, und von da an werden wir in alle Ewigkeit zusammen sein. Ad vitam aeternam …«
    Er verstummte. Der Wind wehte meine Röcke hoch und blähte sie auf, so dass sie sich auch um seine Beine wickelten. Mit einem Mal fühlte ich mich in seinen Armen so leicht, als besäße ich Flügel. Doch leider holte mich ein lauter Ruf rasch wieder auf die Erde zurück; und der Himmel tat das Seinige dazu und schickte uns ein paar Regentropfen. Liam rückte von mir ab und sah in die Richtung, aus der die ungeduldigen Bekundungen kamen.
    »Wir haben den anderen lange genug die Zeit gestohlen. Und außerdem knurrt mir der Magen. Wir haben doch hoffentlich noch etwas zu essen im Haus, oder?«
    »Vielfraß!«, witzelte ich und kniff durch sein Hemd in ein kleines Speckröllchen. »Du denkst nur ans Essen und ans Liebemachen.«
    »Das ist ganz allein deine Schuld«, verteidigte er sich energisch. »Hast du nicht gesagt, ich müsste wieder etwas zulegen? Und was das andere angeht … Ich versuche eben, die verlorene Zeit aufzuholen.«
    Ich rannte hinter ihm her.
    »Liam Macdonald!«
    Ich prallte in vollem Lauf gegen ihn, verlor das Gleichgewicht und riss ihn im Fallen mit. Kichernd und in einem Wirrwarr von Stoff kugelten wir durch das hohe Gras.
    Der Regen wurde heftiger; und über den Bergen donnerte es laut. Der schottische Himmel brachte seinen Zorn zu Gehör. Er beweinte seine Toten und seinen exilierten König. Doch schon morgen würden seine Wasser die Frucht der gerundeten Leiber seiner Frauen taufen; eine junge Generation, die diesem wilden, niemals unterworfenen Volk, das stets nach seiner Freiheit strebte, neuen Atem und neue Kraft schenkte.
    Dies ist das Ende eines alten Liedes, hatte voller Trauer ein Lord bei der endgültigen Abschaffung des schottischen Parlaments im Jahre 1707 gerufen. Das Ende? Und trotzdem hörte ich immer
noch die Melodie der Freiheit im Wind, der über unsere Heide pfiff, und im Plätschern der Wildbäche, die durch die Tiefen unserer Täler flossen. Sie verlieh unserem Leben seinen Rhythmus. Meine Kinder summten sie leise vor sich hin, und ihre Kinder würden dasselbe tun. Seit der Invasion von Agricolas römischen Legionen hatte man erfolglos versucht, dieses Lied im Herzen der Schotten zum Schweigen zu bringen. Ich konnte nicht voraussehen, wie die Historie weiterschreiten würde, doch eines war sicher: Wenn uns diese Freiheit hier, in unseren Bergen, verweigert wurde, dann würde unser Volk sie eben anderswo suchen. Unsere Geschichte war eine Erzählung ohne Ende, die wir mit unserem Blut auf das Angesicht dieser Welt schreiben würden.
    Wir erstickten ein letztes Auflachen, schwiegen einen langen Augenblick und sahen einander an. Dann wich die Erheiterung der Zärtlichkeit. Langsam beugte sich Liam über mich.
    »Sag mir, a ghràidh , warum kann ich nicht anders, als dich zu küssen? Wieso begehre ich dich immer so sehr?«
    Er liebkoste mein Haar und ließ seinen Blick über meinen Körper schweifen.
    »Weil du mich liebst … und weil ich dich liebe«, erklärte ich leise.
    »Weil ich dich liebe …«, flüsterte er und murmelte mir die Worte eines Gedichts ins Ohr. »B′òg chuir mi eòlas air leannan mo ghràidh, ′s a rinn mise suas ri′sa ghleannan gu h-àrd; a gnuis tha cho aoidheil, làn gean agus bàigh, is mise bhios cianail, mur faigh mi a làmh … Gur tric sinn le chéile gabhail cuairt feadh an àit, ′s a falbh troimh na cluaintean gach bruachag is màgh; na h-eoin bheag le smudan a′ seinn dhuinn an dàn, ′s toirt fàilte do′n mhaighdinn d′an d′thug mim o ghràdh …« 48

    Liam warf einen Blick zum Landungssteg, beugte sich dann über mich und küsste mich noch einmal leidenschaftlich. Mit geschlossenen Augen ließ ich mich von der Woge der Gefühle, die in mir aufstiegen, überspülen. Ich berauschte mich an seinem Atem und sättigte mich an seinen Berührungen und Küssen. Liam,
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