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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose
Autoren: Sonia Marmen
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Jahren den heidnischen Bewohnern dieser Berge das Christentum gebracht hatte.
    Nahe der Stele, die Colins Grab kennzeichnete, flatterte an der verrosteten Klinge eines im Boden steckenden Schwertes ein verschlissenes Stück Tartan. Der inzwischen dunkel angelaufene Korbgriff schimmerte schwach. Es war mir wichtig gewesen, dass ein Teil von Ranald einen Platz auf Eilean Munde fand. Die Asche seines Körpers war schon lange in alle vier Winde verweht. Schottland gehört dir, mein Sohn. Doch ich wusste, dass seine Seele den Heimweg in sein Tal gefunden hatte. Er fehlte uns schrecklich. Gott hat es gegeben, Gott hat es genommen, heißt es bei Hiob. Wenn wir das Glück als Geschenk Gottes annahmen, dann mussten wir genauso das Unglück akzeptieren!
    Ich hatte in den vergangenen Monaten mehr als meinen Anteil an Unglück erlebt und hoffte nun, dass mir auch ein wenig Glück zuteil werden würde.
    Liams Hände glitten an meinen Armen auf und ab. Er beugte sich nach vorn, um mich zu küssen.
    »Möchtest du ein Stück gehen? Die anderen scheinen noch nicht fertig zu sein.«
    Ich schaute nach rechts, wo einige Clanmitglieder, die sich uns auf unserer Überfahrt angeschlossen hatten, die Gelegenheit nutzten, sich an den Gräbern ihrer geliebten Verstorbenen zu versammeln. Mein Blick blieb an einer zusammengekauerten Gestalt hängen, die sich an die von rotbraunen Flechten überwachsenen Mauerreste der keltischen Kapelle lehnte. Margaret Macdonald hatte ihre Tochter Leila und ihren Schwiegersohn Robin begleitet, die gekommen waren, um Blumen auf das Grab ihres totgeborenen ersten Kindes zu legen.

    Liam nahm meine Hand. Er war meinem Blick gefolgt.
    »Wann wirst du ihr vergeben, a ghràidh ? Hat sie nicht genug gelitten?«
    »Das fällt mir schwer…«
    »Ich weiß«, gab er nach kurzem Schweigen zurück, »aber du könntest es versuchen.«
    »Liam …«
    »Sie ist allein, Caitliln«, unterbrach er mich ein wenig schroff und zwang mich, ihn anzusehen. »Du hast mich. Sie … hat niemanden mehr, das müsstest du doch verstehen. Was ist ihr denn noch geblieben? Ihr beiden habt euch so nahe gestanden.«
    »Genau das ist ja das Problem, Liam. Deswegen ist es ja so schwierig. Außerdem hat sie ihre Kinder.«
    »Du weißt genau, dass das nicht dasselbe ist. Sie braucht eine Freundin. Die anderen Frauen schneiden sie, seit …«
    Kurz schlug er die Augen nieder, bedrückt von der Erinnerung an jene traurige Nacht. Seine Wangen liefen rosig an.
    »Aus Achtung vor dir warten sie darauf, dass du den ersten Schritt tust. Es ist an dir, auf sie zuzugehen.«
    »Ich werde es niemals fertig bringen, sie von ihrer Sünde freizusprechen.«
    »Unserer Sünde, Caitlin«, verbesserte er mich grausam. »Diese Sünde haben wir gemeinsam begangen, sie und ich. Ich war ebenso schuldig wie sie, aber mir hast du vergeben.«
    Ich fühlte mich nicht wohl in meiner Haut. Er hatte ja recht, das wusste ich schon lange. Sicherlich, ich machte keine Umwege mehr, um Margaret aus dem Weg zu gehen. Ich hatte sogar angefangen, wieder das Wort an sie zu richten. Ein kühles »guten Tag«, ein gleichgültiger Blick, als ob ich einer Fremden begegnete. Jedes Mal nahm ich mir diese aufgesetzte Kälte übel, die nur dazu diente, sie noch weiter zu verletzen. Sie hatte wirklich genug bezahlt. Aber wenn ich sie vor mir sah …
    »Übe Nachsicht, a ghràidh , das erwartet Gott von uns.«
    »Gott … Was weiß Er schon von der tiefen Seelenpein von Männern und Frauen?«
    Liam begann leise zu lachen. Ich beneidete ihn um seinen blinden, unerschütterlichen Gottglauben. Liam hinterfragte nie, was
uns zustieß. Gott hatte Seine Gründe, sagte er stets. So war das nun einmal. Wenn wir es nicht fertigbrachten, mit dem, was Gott uns gegeben hatte, Besseres anzufangen, dann war das ganz allein unsere eigene Schuld.
    »Er weiß sicherlich mehr darüber, als du glaubst. Hat Er nicht Adam und Eva geschaffen?«
    »Hmmm …«
    »Gott hat eine Frau geschaffen und sie dem Manne zugeführt, und der sprach: ›Das ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch!‹ ›Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen. Sie ist ein Teil von ihm. Und sie werden ein Fleisch‹ …«
    Mit diesen Worten zog er mich an sich und küsste mich zärtlich.
    »Aber Gott hat zugelassen, dass Eva mit der Schlange sprach«, wandte ich stirnrunzelnd ein. »Das Böse hat sie verführt und dazu getrieben, von der verbotenen Frucht zu kosten, und so ist der
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