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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose
Autoren: Sonia Marmen
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Unterschied zwischen Gut und Böse entstanden. Sie wusste, dass es schlecht war, Adam ebenfalls zu verführen.«
    »Ja«, gestand Liam leise ein. »Aber Adam hat freiwillig in den Apfel gebissen, daher trifft ihn die gleiche Schuld wie sie.«
    Er sah mir tief in die Augen und streichelte zärtlich meinen Nacken. Trotz der drückenden Hitze überlief mich ein Schauer.
    »Gott hat die Frau und die Schlange bestraft«, fuhr ich fort.
    »Er hat auch den Mann gestraft: Mit Mühsal sollst du dich von dem Acker nähren dein Leben lang … Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden. Der Betrug war die erste Sünde der Menschheit. Die beiden wurden aus dem Garten Eden verbannt und dazu verurteilt, in einer Welt zu leben, in der das Gute und das Böse um sie kämpften. Und in dieser Welt leben wir immer noch, a ghràidh . Wir sind dazu gezwungen und können uns ihr nicht entziehen. Wir sind schwach gegenüber den Mächten des Bösen, Caitlin. Oft haben wir keine Kraft oder keinen Willen mehr, dagegen anzukämpfen. Aber die Strafe für seine Sünden muss es dem Menschen gestatten, wieder aufzustehen, wenn er gefallen ist, und ihn das
Böse, das er getan hat, erkennen lassen. Und so wird er zu einem besseren Menschen.«
    Ich begriff wirklich nicht, worauf er hinauswollte. Als er meine zweifelnde Miene sah, erklärte er sich deutlicher.
    »Margaret hat ihre Strafe bekommen; dafür hat Gott gesorgt. Du brauchst sie nicht noch weiter zu bestrafen. Verstehst du das?«
    »Ich glaube schon…«
    Ich konnte mir die Frage nicht verbeißen, die mich seit unserer Rückkehr aus Montrose umtrieb.
    »Denkst du noch oft daran? Ich meine … an dich und sie?«
    »Caitlin …«
    »Ich will es aber wissen.«
    Seine Lippen verzogen sich zu einem bitteren Ausdruck. Einen Moment lang schloss er die Augen und schüttelte müde den Kopf. Dann glitt sein Blick zu Margarets Silhouette.
    »Ich denke daran«, gestand er, »aber nicht so, wie du glaubst. Meine Erinnerungen an diese Nacht sind ziemlich verworren. Wenn ich daran zurückdenke, steigt eher eine ganze Anzahl von Empfindungen in mir auf: Kummer, Schuldgefühl, das Gefühl, zurückgewiesen zu werden. Ich brauchte so sehr jemanden …«
    Angesichts meiner niedergeschlagenen Miene unterbrach er sich.
    »Herrgott noch einmal, Caitlin, was glaubst du denn? Ich habe nicht sie umarmt, sondern dich. Ich habe sie mit deinem Namen gerufen. Und für sie war es das Gleiche. Meinst du, dass sie stolz darauf ist? Denkst du nicht, dass sie es bereut? Simon war gerade gestorben. Sie hat ihn ebenso verraten wie ich dich, und sie leidet genau wie ich … Nur, dass sie nie erfahren wird, ob er ihr verziehen hat. Wir beide haben eine Art Trost in den Armen des falschen Menschen gesucht. Ich hätte dich gebraucht…«
    Er nahm meine Hand und fuhr mit dem Daumen die lange, noch geschwollene Narbe auf meiner Handfläche nach. Der Heilungsprozess war lang und schmerzhaft verlaufen. Die Wunde hatte sich entzündet. Irgendwann hatten wir befürchtet, die Hand müsse amputiert werden. Doch ein Wunder war geschehen, und
die Infektion war so rasch, wie sie gekommen war, wieder verschwunden. Ich wusste, dass ich großes Glück gehabt hatte. Einige Finger schienen nicht mehr so beweglich zu sein wie zuvor, doch ich konnte meine Hand wieder gebrauchen. Nur diese Narbe würde bleiben. Aber die seelische Wunde, die viel tiefer reichte, würde noch Zeit brauchen, um zu heilen. Liam betrachtete meine Handfläche ein Weilchen, dann legte er kurz die Lippen darauf und schloss sie dann. Bewegt sah er mir erneut in die Augen und fuhr dort fort, wo er sich unterbrochen hatte.
    »Nachher, als ich dich in jener Nacht im Schlafzimmer sah … Dein Blick … Das werde ich nie vergessen. Da habe ich begriffen, was ich getan hatte. Was ich dir angetan hatte. Das Schlimmste war, das ich nichts tun konnte, um dein gebrochenes Herz zu flicken. Nichts, was ich tun konnte, hätte meine Tat wiedergutmachen können. Deswegen konnte ich dich auch nicht gleich treffen, als du nach Perth gekommen bist, obwohl die Lage so ernst war. Schon die Vorstellung, dir zu begegnen, hat mich fast umgebracht, obwohl ich es mir auf der anderen Seite sehnlichst wünschte. Dein verstörter Blick und deine Vorwürfe haben mich daran gehindert. Und dann Colin – in deinem Zimmer, in deinem Bett –, der einen Arm um dich gelegt hatte. Du … nur im Hemd,
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