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Es muss nicht immer Mord sein

Es muss nicht immer Mord sein

Titel: Es muss nicht immer Mord sein
Autoren: Imogen Parker
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Prolog
     
      Endlich hatte ich es
nach Paris geschafft. Der Stadt der Künste, der Philosophie, der Liebe. Bloß
hatten wir Mitte Dezember, und wie ich so durch die matschigen Rinnsteine des
Boulevard St. Germain trottete, kam sie mir ungefähr so romantisch vor wie die
Camden High Street an einem verregneten Abend. All die wie aus dem Ei gepellten
Pariser beim Weihnachtseinkauf marschierten entschlossen in die
entgegengesetzte Richtung. Ich fragte mich, wieso schicke Leute eigentlich nie
die Kälte spürten und warum sie nie auf das Fleckchen Schnee traten, das sich
dann als tiefe Pfütze herausstellt, die sich über einem verstopften Gully
gebildet hat.
    Das Café Le Mandarin sah einladend aus. Warmes,
goldenes Licht aus tiefhängenden Lampen mit Spitzenschirmen, das auf den
beschlagenen Scheiben klare Stellen schuf, die wie Bullaugen wirkten. Ich
drückte die Tür auf und blickte mich um.
    Einige Tische waren von Ehemännern und ihren
Geliebten besetzt, oder jedenfalls stellte ich mir das vor, weil sie so überaus
öffentlich Gebäck und Spucke austauschten. Kein Wunder, daß es in Paris so
viele Lebensmittelläden gab. Die männliche Einwohnerschaft führte ein
kulinarisches Doppelleben: Erst deckten sie zusammen mit ihren Mätressen den
vollen Tagesbedarf an Kalorien, und dann gingen sie vermutlich nach Hause und
aßen coq au vin mit ihren Frauen.
    Der Kellner schien bekümmert, daß ich ihm den
Boden volltropfte und versuchte mich an einen Tisch im Hintergrund zu
komplimentieren, wo man mich von der Straße aus nicht sehen konnte. Nach ein
paar Tagen in Paris war ich diese Taktik schon gewohnt. Ich gab vor, ihn nicht
zu verstehen und pflanzte mich resolut in eine der Nischen ganz vorne, ohne
auch nur meinen Dufflecoat auszuziehen.
    Ich bestellte einen café crème und
wartete auf Charlotte.
     
    Sie war offensichtlich schon eine ganze Weile in
Paris, denn sie wirkte wie eine Einheimische: kurzgeschnittener schwarzer
Bubikopf, der glatt an den Schädel und hinter die Ohren geklatscht war,
bleiches Gesicht (ich faßte mir instinktiv an die Nase und wußte, daß sie von
der Kälte rot war wie bei einem Clown), purpurrote Lippen. Sie trug Schwarz,
wie sie angekündigt hatte: einen weiten, schwarzen Mantel, schwarze Leggings, teure,
saubere, schwarze Stiefeletten und Handschuhe — das einzige Zeichen von
Frivolität - aus falschem Leopardenfell. Nicht gerade, wie ich mir eine
Studentin an der Sorbonne vorstellte. Ich versuchte, aus meinem Dufflecoat zu
schlüpfen und schaffte es dabei, einen Teelöffel vom Tisch zu werfen. Er
klirrte mit einem Lärm zu Boden, als sei ein ganzer Besteckkasten
heruntergefallen, und sie schaute zu mir herüber. Ich winkte verzagt.
     
    Wir stellten uns einander förmlich vor. Sie
winkte den Kellner heran und bestellte einen Kräutertee. Dann sagte sie:
»Schön, warum erklären Sie mir nicht, warum Sie hier sind?« Also begann ich,
die Geschichte zu erzählen.

Kapitel Eins
     
      Ich bin eigentlich nicht
der Typ, der an Vorzeichen, schicksalhafte Fügungen und solches Zeug glaubt,
aber als ich am ersten Arbeitstag bei der Bank entdeckte, daß meine Vorgängerin
— auf deren Drehstuhl ich jetzt saß — ermordet worden war, hielt ich das nicht
gerade für einen glückverheißenden Anfang.
     
    Der Tag hatte schon übel begonnen, nämlich
damit, daß mich ein Mann in einer pseudomilitärischen Uniform mit Gewalt daran
hinderte, den Lift in den sechsten Stock zu nehmen. Meinem Chef, der auch
gerade erst bei der Bank angefangen hatte, war nicht klar gewesen, daß er den
Sicherheitsdienst über meine Ankunft informieren mußte. Ich verbrachte gut eine
halbe Stunde damit, in einem der niedrigen Ledersessel neben dem Springbrunnen
zu sitzen, während die unfreundliche Empfangsdame versuchte, Martin zu
erreichen. Schließlich stand ich auf und machte einen Spaziergang durch das
riesige Atrium, das den Kern des Gebäudes bildete. Unterwegs blieb ich stehen
und schaute über die kreisrunde Balustrade im Zentrum in einen indigoblauen
Swimmingpool hinunter. Eine Frau mit schwarzem Badeanzug und Schwimmbrille zog
energisch Bahnen, die außerhalb meines Blickfelds begannen und endeten. Die
Empfangsdame beäugte mich mißtrauisch, als könne ich im nächsten Moment
irgendwelchen Abfall in den Schacht werfen und rief den Wachmann zu einer
Beratung im Flüsterton heran. Mein Witz über sein Sicherheitsunternehmen, das
kürzlich in der Presse kritisiert worden war, weil es in ein
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