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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose
Autoren: Sonia Marmen
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klebte ihm auf der Haut. Ich schloss die Augen und kostete Salz, Sonne und Liebe von seinen Lippen.
    Er zog mich hinter sich her zu einer kleinen, grasbewachsenen Senke. Dort, wo wir vor Blicken geschützt waren, zog er sein Hemd und ich mein Mieder aus, damit die Sonne uns trocknen konnte. Wir streckten uns im Gras aus, und er legte den Kopf in meine Röcke, auf meine Schenkel. Lange verharrten wir so und hörten zu, wie das Wasser gegen die Steine plätscherte.
    »Heute Morgen sind fünf Männer aus Glenlyon gekommen«, erklärte Liam unvermittelt.
    Ich schlug die Augen auf und sah ihn mit einer Mischung aus Verblüffung und Sorge an. Um ihn besser anschauen zu können, setzte ich mich auf. Männer aus Glenlyon in Glencoe? Das musste eine dringende Angelegenheit sein, außer …
    »Duncan hat doch nicht wieder begonnen …«
    Liams Lachen zerstreute mein aufkeimendes Misstrauen.
    »Duncan gibt sich mit den Kühen aus Lorn zufrieden. Der Weg ist vielleicht ein wenig weiter, aber für ihn ist es sicherer.«
    »Also, warum sollten sich die Männer aus Glenlyon dann nach Glencoe wagen? Was wollten sie?«
    »Genauer gesagt wurden sie von David Campbell angeführt, Marions jüngerem Bruder. Der Earl of Breadalbane ist tot. Der alte Fuchs ist schließlich doch von uns gegangen.«
    Er lächelte. In unserem Tal würde niemand um den Mann weinen. Nach dem gescheiterten Aufstand warein Trupp Regierungssoldaten auf Finlarig aufgetaucht. Sie wollten den Alten holen, um ihn hinter Gitter zu stecken. Doch der Earl hatte sie ordentlich angeführt, denn sie hatten ihn auf dem Totenbett vorgefunden. Daraufhin hatten sie ihn in Ruhe gelassen: ein todgeweihter Achtzigjähriger stellte keine Bedrohung mehr für das Haus Hannover dar.
    »David hat auch einen Brief für Marion gebracht. Glenlyon geht ins Exil.«
    »Oh mein Gott!«, rief ich erschrocken aus.
    In den Highlands war es wieder relativ friedlich, wenngleich
die Lage instabil war. Nachdem der Prätendent sich nach Frankreich eingeschifft hatte, war die Armee aufgelöst worden, und jeder Soldat war ins sein Tal zurückgekehrt, um nach dem viermonatigen Feldzug die Seinigen wiederzusehen. Patrick hatte sich mit Sàra auf den kleinen Landsitz der beiden zurückgezogen und wachte über die Geschäfte des Earl of Marischal, der sich auf seinen Ländereien versteckt hielt; wie übrigens zahlreiche jakobitische Anführer, wenn sie nicht gleich nach Schweden oder Frankreich ins Exil gingen.
    Im Londoner Tower hatten Ende Februar zwei Hinrichtungen stattgefunden. Mehrere Gefangene waren auf die Antillen deportiert worden. Zahlreiche Domänen und Adelstitel waren aberkannt worden. Wenn eine Truppe der Garde gesichtet wurden, schlugen die Männer sich oft in die Berge. Die Angst vor Vergeltungsmaßnahmen und die Erinnerung an vergangene Gräuel steckten uns in den Knochen, so dass wir in ständiger Furcht lebten, wir könnten unsere Häuser in Flammen aufgehen sehen und müssten womöglich zuschauen, wie unsere Ernten geraubt und unsere Herden beschlagnahmt würden.
    Doch trotz allem waren die Repressalien nach der gescheiterten Rebellion gemäßigt ausgefallen. Natürlich hatten wir unsere Waffen dem Gouverneur von Fort William ausliefern müssen. Aber diesem Versuch der Behörden, uns zu entwaffnen, war nur mäßiger Erfolg beschieden gewesen. Die Highlander hatten wie gewohnt nur die alten, verrosteten Schwerter abgeliefert und die besseren für … das nächste Mal behalten. Ein Highlander lebte eben mit dem Herzen in der einen und seinem Dolch in der anderen Hand. Anders konnte es gar nicht sein, das war eine Frage des Überlebens.
    »Was wird mit uns geschehen, Liam?«
    »Nichts.«
    Ich überlegte einen Moment und fuhr mit den Fingern durch sein Haar, das sich auf meinem Rock ausbreitete.
    »Und John MacIain? Wird er ebenfalls ins Exil gehen müssen?«
    Er schlug die Augen auf; sein Blick wirkte unsicher.
    »John?«

    Er überlegte und presste dann die Lippen zusammen.
    »Nein«, erklärte er mit einer Entschiedenheit, die mich ein wenig beruhigte.
    Er hob eine Hand, erwischte meine rebellische Haarsträhne und zog mich daran auf sich zu, um mich zu küssten.
    »John hat nicht persönlich an dem Aufstand teilgenommen. Und außerdem kann ich mir vorstellen, dass unser Clan in ihren Augen nicht… wichtig genug ist.«
    Es hatte allerdings einmal eine Zeit gegeben, da hatte man uns für wichtig genug gehalten, um ein Exempel an uns zu statuieren, indem man versuchte, uns auszurotten.
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