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L'Adultera

L'Adultera

Titel: L'Adultera
Autoren: Theodor Fontane
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polizelrätlich unschuldiger Miene. Glück gehabt! Allerdings. Und
    zwar kein einfaches und gewöhnliches, sondern ein
    stupendes, ein nie dagewesenes Glück. Eines, das in seiner kolossalen Größe den Mann selber wegfrißt
    und verschlingt. Und so wenig ich geneigt bin, ihm

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    dies Glück zu mißgönnen, ich kenne keine Mißgunst,
    so reizt es mich doch, einen Heroenkultus an dieses Glück geknüpft zu sehen. Er wird überschätzt, sag'
    ich. Glauben Sie mir, er hat etwas Plagiatorisches. Es mögen sich Erklärungen finden lassen, meinetwegen
    auch Entschuldigungen, eines aber bleibt: er wird
    überschätzt. Ja, meine Freunde, den Heroenkultus
    haben wir, und den Götterkultus werden wir haben.
    Bildsäulen und Denkmäler sind bereits da, und die
    Tempel werden kommen. Und in einem dieser Tem-
    pel wird sein Bildnis sein, und Göttin Fortuna ihm zu Füßen. Aber man wird es nicht den Fortunatempel
    nennen, sondern den Glückstempel. Ja, den
    Glückstempel, denn es wird darin gespielt, und unser vorsichtiger Freund Reiff hat es mit seinem Six-le-va, das über kurz oder lang kommen wird, besser getroffen, als er weiß. Alles Spiel und Glück, sag' ich, und daneben ein unendlicher Mangel an Erleuchtung,
    an Gedanken und vor allem an großen schöpferi-
    schen Ideen.«
    »Aber lieber Legationsrat«, unterbrach hier van der Straaten, »es liegen doch einige Kleinigkeiten vor: Exmittierung Österreichs, Aufbau des Deutschen
    Reichs...«
    »... Ekrasierung Frankreichs und Dethronisierung des Papstes! Pah, van der Straaten, ich kenne die ganze Litanei. Wem aber haben wir dafür zu danken, wenn
    überhaupt dafür zu danken ist? Wem? Einer ihm
    feindlichen Partei, feindlich ihm und mir, einer Partei, der er ihren Schlachtruf genommen hat. Er hat etwas Plagiatorisches, sag' ich, er hat sich die Gedanken 36
    anderer einfach angeeignet, gute und schlechte, und sie mit Hilfe reichlich vorhandener Mittel in Taten umgesetzt. Das konnte schließlich jeder, jeder von
    uns: Gabler, Elimar, du, ich, Reiff...«
    »Ich möchte doch bitten...«
    »In Taten umgesetzt«, wiederholte Duquede.
    »Ein Umsatz- und Wechselgeschäft, das ich hasse,
    solange nicht der selbsteigne Gedanke dahinter
    steht. Aber Taten mit gar keiner oder mit erheuchelter oder mit erborgter Idee haben etwas Rohes und
    Brutales, etwas Dschingiskhanartiges. Und ich wie-
    derhole, ich hasse solche Taten. Am meisten aber
    hass' ich sie, wenn sie die Begriffe verwirren und die Gegensätze mengen, und wenn wir es erleben müssen, daß sich hinter den altehrwürdigen Formen un-
    seres staatserhaltenden Prinzips, hinter der Maske
    des Konservatismus, ein revolutionären Radikalismus birgt. Ich sage dir, van der Straaten, er segelt unter falscher Flagge. Und eines seiner einschlägigsten
    Mittel ist der beständige Flaggenwechsel. Aber ich
    hab' ihn erkannt und weiß, was seine eigentliche
    Flagge ist...«
    »Nennen...«
    »Die schwarze.«
    »Die Piratenflagge?«

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    »Ja. Und Sie werden dessen über kurz oder lang alle gewahr werden. Ich sage dir, van der Straaten, und
    Ihnen, Elimar, und Ihnen, Reiff, der Sie's morgen in Ihr schwarzes Buch eintragen können, meinetwegen,
    denn ich bin ein altmärkischer Edelmann und habe
    den Dienst dieses mir widerstrebenden Eigennütz-
    lings längst quittiert, ich sag' es jedem, alt oder jung: sehen Sie sich vor. Ich warne Sie vor Täuschung, vor allem aber vor Überschätzung dieses
    falschen Ritters, dieses Glücks-Tempelherrn, an den die blöde Menge glaubt, weil er die Jesuiten aus dem Lande geschafft hat. Aber wie steht es damit? Die Bösen sind wir los, der Böse ist geblieben.«
    Gryczinski hatte mit vornehmem Lächeln zugehört,
    van der Straaten indes, der, trotzdem er eigentlich ein Bismarckschwärmer war, in seiner Eigenschaft
    als kritiksüchtiger Berliner nichts Reizenderes kannte als Größenniedermetzelung und Generalnivellierung,
    immer vorausgesetzt, daß er selber als einsam über-
    ragender Bergkegel übrigblieb, grüßte zu Duquede
    hinüber und rief einem der Diener zu, dem Legati-
    onsrat, der sich geopfert habe, noch einmal von der letzten Schüssel zu präsentieren.
    »Eine spanische Zwiebel, Duquede. Nimm. Das ist
    etwas für dich. Scharf, scharf. Ich mache mir nicht viel aus Spanien, aber um zweierlei beneid' ich es: um seine Zwiebeln und um seinen Murillo.«
    »Überrascht mich«, sagte Gabler. »Und am meisten
    überrascht mich die dir entschlüpfte Murillo-, will also sagen
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