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L'Adultera

L'Adultera

Titel: L'Adultera
Autoren: Theodor Fontane
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Madonnenbewundrung.«

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    »Nicht entschlüpft, Arnold, nicht entschlüpft. Ich unterscheide nämlich, wie du wissen solltest, kalte und warme Madonnen. Die kalten sind mir allerdings
    verhaßt, aber die warmen hab' ich desto lieber. A la bonne heure, die berauschen mich, und ich fühl' es
    in allen Fingerspitzen, als ob es elfer Rheinwein wä-
    re. Und zu diesen glühenden und sprühenden zähl'
    ich all diese spanischen Immaculatas und Concepcio-
    nes, wo die Mutter Gottes auf einer Mondsichel steht, und um ihr dunkles Gewand her leuchten goldene
    Wolken und Engelsköpfe. Ja, Reiff, dergleichen gibt es. Und so blickt sie brünstig oder sagen wir lieber inbrünstig gen Himmel, als wolle die Seele flügge
    werden in einem Brütofen von Heiligkeit.«
    »In einem Brütofen von Heiligkeit«, wiederholte der Polizeirat, in dessen Augen es heimlich und verstohlen zu zwinkern begann. »In einem Brütofen! Oh,
    das ist magnifique, das ist herrlich, und eine Andeutung, die jeder von uns nach dem Maße seiner Er-
    kenntnis interpretieren und weiterspinnen kann.«
    Beide junge Frauen, einigermaßen überrascht, ihren
    sonst so zurückhaltenden Freund auf dieser Messer-
    schneide balancieren zu sehen, trafen sich mit ihren Blicken, und Melanie, rasch erkennend, daß es sich
    jeden Moment um eine jener Katastrophen handeln
    könne, wie sie bei den kommerzienrätlichen Diners
    eben nicht allzu selten waren, suchte vor allem von dem heiklen Murillothema loszukommen, was, bei
    van der Straatens Eigensinn, allerdings nur durch
    eine geschickte Diversion geschehen konnte. Und
    solche gelang denn auch momentan, indem Melanie

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    mit anscheinender Unbefangenheit bemerkte: »Van
    der Straaten wird mich auslachen, in Bild- und Ma-
    lerfragen eine Meinung haben zu wollen. Aber ich
    muß ihm offen bekennen, daß ich mich, wenn seine
    gewagte Madonneneinteilung überhaupt akzeptiert
    werden soll, ohne weiteres für eine von ihm ignorier-te Mittelgruppe, nämlich für die temperierten, ent-
    scheiden würde. Die tizianischen scheinen mir diese wohltuend gemäßigte Temperatur zu haben. Ich lieb'
    ihn überhaupt.«
    »Ich auch, Melanie. Brav, brav. Ich hab' es immer
    gesagt, daß ich noch einen Kunstprofessor in dir
    großziehe. Nicht wahr, Arnold, ich hab' es gesagt?
    Beschwör es. Eine Schwurbibel ist nicht da, aber wir haben Reiff, und ein Polizeirat ist immer noch ebenso gut wie ein Evangelium. Du lachst, Schwager; natürlich; ihr merkt es nicht, aber wir . Übrigens hat Reiff ein leeres Glas. Und Elimar auch. Friedrich, alter Po-muchelskopf, steh nicht in Liebesgedanken. Allons,
    enfants. Wo bleibt der Mouet? Flink, sag' ich. Bei den Gebeinen des unsterblichen Roller, ich lieb' es nicht, meinen Champagner in den letzten fünf Minuten in
    kümmerlicher Renommage schäumen zu sehen. Und
    noch dazu in diesen vermaledeiten Spitzgläsern, mit denen ich nächstens kurzen Prozeß machen werde.
    Das sind Rechnungsrats-, aber nicht Kommerzien-
    ratsgläser. Übrigens mit dem Tizian hast du doch
    unrecht. Das heißt halb. Er versteht sich auf alles mögliche, nur nicht auf Madonnen. Auf Frau Venus
    versteht er sich. Das ist seine Sache. Fleisch, Fleisch.
    Und immer lauert irgendwo der kleine liebe Bogen-
    schütze. Pardon, Elimar, ich bin nicht für Massen-

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    Amors auf Tischkarten, aber für den Einzel-Amor bin ich, und ganz besonders für den des tizianischen
    roten Ruhebetts mit zurückgezogener grüner Da-
    mastgardine. Ja, meine Herrschaften, da gehört er
    hin, und immer ist er wieder reizend, ob er ihr zu
    Häupten oder zu Füßen sitzt, ob er hinter dem Bett
    oder der Gardine hervorkuckt, ob er seinen Bogen
    eben gespannt oder eben abgeschossen hat. Und
    was ist vorzuziehen? Eine feine Frage, Reiff. Ich denke mir, wenn er ihn spannt... Und diese ruhende lin-ke Hand mit dem ewigen Spitzentaschentuch. Oh,
    superbe. Ja, Melanie, den Tag will ich deine Bekehrung feiern, wo du mir zugestehst: Suum cuique,
    dem Tizian die Venus und dem Murillo die Madonna.«
    »Ich fürchte, van der Straaten, da wirst du lange zu warten haben, und am längsten auf meine Murillo-Bekehrung. Denn diese gelben Dunstwolken, aus
    denen etwas inbrünstig Gläubiges in seelisch-
    sinnlicher Verzückung aufsteigt, sind mir unheimlich.
    Es hat die Grenze des Bezaubernden überschritten,
    und statt des Bezaubernden find' ich etwas Behe-
    xendes darin.«
    Gryczinski nickte leise der Schwägerin zu, während
    jetzt Elimar das Glas erhob und um Erlaubnis bat,
    nach dem
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