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L'Adultera

L'Adultera

Titel: L'Adultera
Autoren: Theodor Fontane
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eben gehörten Wort einer echt deutschen
    Frau (»Französin«, schrie van der Straaten dazwi-
    schen) auf das Wohl der schönen und liebenswürdi-
    gen Dame des Hauses anstoßen zu dürfen. Und die
    Gläser klangen zusammen. Aber in ihren Zusam-
    menklang mischte sich für die schärfer Hörenden
    schon etwas wie Zittern und Mißakkord, und ehe

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    noch das allgemeine Lächeln verflogen war (das des
    Polizeirats hielt sich am längsten), brach van der
    Straaten durch alle bis dahin mühsam eingehaltenen
    Gehege durch und debutierte mal wieder ganz als er
    selbst. Er sei, so hob er an, leider nicht in der Lage, der für die »Frau Kommerzienrätin« gewiß höchst
    wertvollen Zustimmung seines Freundes Elimar
    Schulze (wobei er Vor- und Zunamen gleich ironisch
    betonte) seinerseits zustimmen zu können. Es gäbe freilich einen Gegensatz von Bezauberung und Behexung, aber manches in der Welt gelte für Behexung,
    was Bezauberung, und noch mehr gelte für Bezaube-
    rung, was Behexung sei. Und er bitte sagen zu dür-
    fen, daß er es seinerseits mit der Konsequenz halte und mit Farbebekennen, und nicht mit heute so und
    morgen so. Am verdrießlichsten aber sei ihm zweier-
    lei Maß.
    Er hielt hier einen Augenblick inne und war vielleicht überhaupt gewillt, es bei diesen Allgemeinsätzen
    bewenden zu lassen. Aber die junge Gryczinska, die
    sich, nach Art aller Schwägerinnen, etwas heraus-
    nehmen durfte, sah ihn jetzt, in plötzlich wiederer-wachtem Mute, keck und zuversichtlich an und bat
    ihn, aus seinen Orakelsprüchen heraus und zu be-
    stimmteren Erklärungen übergehn zu wollen.
    »O gewiß, meine Gnädigste«, sagte der jetzt immer
    hitziger werdende van der Straaten. »O gewiß, mein
    geliebtes Rotblond. Ich stehe zu Befehl und will aus allem Orakulosen und Mirakulosen heraus und will in die Trompete blasen, daß ihr aus eurer Dämmerung

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    und meinetwegen auch aus eurer Götterdämmrung
    erwachen sollt, als ob die Feuerwehr vorüberführe.«
    »Ah«, sagte Melanie, die jetzt auch ihrerseits alle Ruhe zu verlieren begann. »Also da hinaus soll es.«
    »Ja, süßer Engel, da hinaus. Da. Ihr stellt euch stolz und gemütlich auf die Höhen aller Kunst und zieht
    als reine Casta diva am Himmel entlang, als ob ihr
    von Ozon und Keuschheit leben wolltet. Und wer ist euer Abgott? Der Ritter von Bayreuth, ein Behexer,
    wie es nur je einen gegeben hat. Und an diesen
    Tannhäuser und Venusberg-Mann setzt ihr, als ob ihr wenigstens die Voggenhuber wäret, eurer Seelen
    Seligkeit und singt und spielt ihn morgens, mittags und abends. Oder dreimal täglich, wie auf euren Pil-lenschachteln steht. Und euer Elimar immer mit. Und sein ewiger Samtrock wird ihn auch nicht retten.
    Nicht ihn und nicht euch. Oder wollt ihr mir das alles als himmlischen Zauber kredenzen? Ich sag' euch,
    fauler Zauber. Und das ist es, was ich zweierlei Maß genannt habe. Den Murillo-Zauber möchtet ihr zu
    Hexerei stempeln, und die Wagner-Hexerei möchtet
    ihr in Zauber verwandeln. Ich aber sag' euch, es liegt umgekehrt, und wenn es nicht umgekehrt liegt, so sollt ihr mir wenigstens keinen Unterschied machen.
    Denn es ist schließlich alles ganz egal und, mit Permission zu sagen, alles Jacke...«
    Der aus der vergleichendsten Kleidersprache ge-
    nommene Berolinismus, mit dem er seinen Satz ab-
    zuschließen gedachte, wurd' auch wirklich gespro-
    chen, aber er verklang in einem Getöse, das der Ma-

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    jor durch einen geschickt kombinierten Angriff von
    Gläserklopfen und Stuhlrücken in Szene zu setzen
    gewußt hatte. Zugleich begann er: »Meine verehrten
    Freunde, das Wort Hexenmeister ist gefallen. Ein
    vorzügliches Wort! So lassen wir sie denn leben, alle diese Tannhäuser, wobei sich jeder das Seine denken mag. Ich trinke auf das Wohl der Hexenmeister.
    Denn alle Kunst ist Hexerei. Rechten wir nicht mit
    dem Wort. Was sind Worte? Schall und Rauch. Sto-
    ßen wir an. Hoch, hoch.«
    Und mit einer wohlgemeinten Kraftanstrengung, in
    der jetzt jeder zitternde Ton fehlte, wurde zuge-
    stimmt, namentlich auch von seiten der beiden Ma-
    ler, und kaum einer war da, der nicht an eine glücklich beseitigte Gefahr geglaubt hätte. Aber mit Un-
    recht. Van der Straaten, absolut unerzogen, konnte, vielleicht weil er dies Manko fühlte, nichts so wenig ertragen, als auf Unerzogenheiten aufmerksam gemacht zu werden: er vergaß sich dann ganz und gar,
    und der Dünkel des reichen Mannes, der gewohnt
    war zu helfen, nach allen Seiten hin zu helfen, stieg
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