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Silberstern Sternentaenzers Sohn 04 - Familiengeheimnisse

Silberstern Sternentaenzers Sohn 04 - Familiengeheimnisse

Titel: Silberstern Sternentaenzers Sohn 04 - Familiengeheimnisse
Autoren: Lisa Capelli
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Geduld zu haben ist schwer
    Es war eine finstere, aber sternenklare Nacht. Annit Georgi kauerte auf einem Felsen an der Klostermauer und blickte in den Himmel. Es war kalt. Doch trotz ihrer nackten Füße auf dem ausgekühlten Stein spürte sie die Kälte nicht. Annit hatte nicht einschlafen können und war hinunter in den Klostergarten gegangen - zu viele Gedanken jagten durch ihren Kopf.
    Immer wieder tauchte das Gesicht der Äbtissin vor ihrem geistigen Auge auf, hörte sie deren Worte: „Ich habe mit deiner Mutter gesprochen“, hatte die Igoumeni - so nannte man hier in Griechenland die Vorsteherin eines Klosters - gesagt. „Sie hat vorhin angerufen und ... sie will dich sehen.“
    Gedankenverloren blickte Annit auf ihre Zehen. Sie hatte sich so unendlich über diese Nachricht gefreut. Doch als die Äbtissin dann weitergesprochen hatte, war ihre Freude zusammengefallen wie ein Kartenhaus. „Sie braucht noch ein bisschen Zeit, bis sie so weit ist ... Es ist nicht so einfach für deine Mutter - nach allem, was geschehen ist“, hatte die Igoumeni erklärt. „Wenn du sie endlich kennenlernst, wirst du das verstehen.“
    Annit schaute Hilfe suchend zum Himmel. Genau das will ich doch! Meine Mutter endlich kennenlernen und erfahren, was geschehen ist: Nur das! Nur deswegen bin ich seit Wochen hier in Griechenland in diesem Kloster. Nur deswegen habe ich den weiten Weg hierher auf mich genommen. Und jetzt soll ich wieder nur warten? „Sie lebt in der Türkei, aber sie kommt bald“, hatte die Äbtissin noch hinzugefügt... Bald? Wann denn? Wann ist bald?
    Annit krallte sich mit ihren nackten Zehen an dem Stein fest. Seit ich weiß, dass meine Eltern, bei denen ich aufgewachsen bin, nicht meine leiblichen Eltern sind, fiebere ich diesem Augenblick entgegen. Wie lange soll ich denn noch warten? Bis ich alt und grau bin - so wie die Igoumeni?
    Annit stand auf, streckte ihre Arme weit zur Seite aus und balancierte vorsichtig auf dem Felsen. Sie seufzte.  Immerhin kenne ich jetzt schon mal meine Tante. Denn - wie sich inzwischen herausgestellt hatte - war die Äbtissin die Schwester ihrer Mutter.
    Ob meine Mutter so ist wie sie?, überlegte Annit. So streng? So ernst?... Elena heißt sie.
    „Elena.“ Annit sagte den Namen ihrer Mutter laut vor sich her. Ob ich wohl aussehe wie meine Mutter? Ob sie auch lange schwarze Locken hat wie ich? Nachdem Annit erfahren hatte, dass die Igoumeni ihre Tante war, hatte sie neugierig versucht, einen Blick auf deren Haare zu werfen. Doch die Äbtissin hielt ihre Haare stets akkurat unter der Haube verborgen. Nicht mal eine winzige Strähne lugte hervor. Ob sie meiner Mutter ähnlich sieht? Die Äbtissin war eine stattliche Frau Anfang fünfzig mit einer tiefen, sehr strengen Stimme und einer Brille. Ob sie meine blauen Augen hat? Die Augen der Igoumeni waren grau.
    Je intensiver Annit über ihre «Mutter nachdachte, desto klarer wurde ihr, dass sie nicht länger warten wollte. Wenn meine Mutter nicht zu mir kommt, komm ich eben zu ihr. Türkei?  Annit balancierte weiter über die kalten, teilweise spitzen Steine, die den Weg durch den Klostergarten säumten. Von Griechenland in die Türkei kann es doch nicht so weit sein, überlegte sie.
    Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Ich hätte in der Schule in Erdkunde besser aufpassen sollen! Aber damals war Annits Welt ja noch in Ordnung gewesen. Sie hatte mit den Menschen, die sie für ihre Eltern gehalten hatte, auf einem Bauernhof in Deutschland gelebt und war glücklich gewesen. Einfach nur glücklich. Obwohl ...
    Annit trat von einem Fuß auf den anderen, denn allmählich merkte sie die Kälte doch. Irgendwie hab ich immer schon was gespürt, dachte sie. Irgendwie gab es tief in mir immer  diese unerklärliche Unruhe. Auch als ich noch keine Ahnung  hatte, dass ich adoptiert worden bin. Annit blickte wieder in  den Nachthimmel. Es gibt wohl Dinge, die spürt man einfach.  Genau so, wie ich vom allerersten Moment an gespürt habe, dass  Silberstern, der herrliche pechschwarze Araberhengst, und ich  zusammengehören ...
    „Oh nein!,“ murmelte sie dann entschlossen. „Auf gar keinen Fall werde ich darauf warten, bis es Elena irgendwann in hundert Jahren vielleicht mal passt, dass sie ihre Tochter besuchen könnte. Ich werde zu ihr fahren - und nichts und niemand wird mich davon abhalten.“
    Gleich am nächsten Morgen stürmte Annit in das Büro der Igoumeni. „Ich
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