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Schwiegermutter inklusive. Einen Mann gibt es selten allein (German Edition)

Schwiegermutter inklusive. Einen Mann gibt es selten allein (German Edition)

Titel: Schwiegermutter inklusive. Einen Mann gibt es selten allein (German Edition)
Autoren: Anne Harenberg
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Kapitel 1

 
    Alles begann an einem nebeligen, grauen Freitagnachmittag in einem
Zug. Ich saß in diesem Zug und war aufgeregt, da ich auf dem Weg nach Paderborn
war, um meine Schwiegereltern kennen zu lernen.
    Gut, das mit den Schwiegereltern war vielleicht etwas verfrüht,
schließlich waren der Mann meiner Träume und ich noch nicht verheiratet. Genau
genommen gab es nicht mal einen Heiratsantrag, geschweige denn eine gemeinsame
Wohnung. Aber das alles tat nichts zur Sache – wir hatten uns gefunden
und das war, was zählte.
    Es gab – glaube ich – nur einen Menschen
auf der ganzen Welt, der über das Ende der Märchenprinzsuche noch glücklicher
war als ich. Nein, nicht der Märchenprinz. Meine Mutter. Sie hatte zwei Tage
nonstop vor Erleichterung geweint, dass sie nun ihren Freundinnen nicht mitteilen
musste, dass ihre Tochter eine von diesen neumodischen Lesben sei. Wobei sie
das Wort „Lesbe“ immer nur ganz leise und wie eine schreckliche, ansteckende
Krankheit aussprach. Natürlich nahm ich an, dass sich die Eltern des
Märchenprinzen mindestens genauso darüber freuen würden wie meine Mutter, dass
ihr Sohn nun glücklich bis an sein Lebensende sein würde – und nicht
schwul war, falls sie jemals diese Sorge gehegt hatten.
    „Allein schon deshalb müssen sie mich einfach mögen“,
versuchte ich meine eigene Aufgeregtheit etwas zu mildern. Dazu kam, dass ich
für gewöhnlich unglaublich gut bei Eltern ankam. Wenn meine Eltern mir Eines
beigebracht hatten, dann das gute Ankommen bei anderen Eltern. Ich konnte so
höflich, zuvorkommend, zurückhaltend, adrett und freundlich sein, wie es die
Situation gerade verlangte. Dazu gehörte Lügen, dass sich die Balken bogen,
wenn es nur der Höflichkeit diente. So hatte ich als kleines Mädchen mal bei
einer Freundin, bei der ich zum Mittagessen eingeladen war, einen ganzen Teller
Rahmspinat voller Enthusiasmus geradezu verschlungen. Nicht mal vor dem
Nachschlag war ich zurückgeschreckt. Dabei hasste ich nichts mehr als
Rahmspinat. Ich hatte es einfach nicht übers Herz gebracht, der glücklichen
Mutter, die mich sofort ihrer eigenen Spinat-verweigernden Tochter als
Musterbeispiel vorhielt, die Wahrheit zu sagen.
    Es sollte genau diese Höflichkeit ohne Rücksicht auf das eigene
Wohlbefinden sein, die mir im Umgang mit meiner Schwiegermutter zum Verhängnis
werden sollte. Aber das wusste ich natürlich noch nicht, als ich aufgeregt im
Zug nach Paderborn saß und versuchte mich selber zu beruhigen.
    Meine bisherigen Beziehungen waren an vielen Dingen gescheitert,
aber noch nie an den Müttern meiner Freunde. Mit einer hatte ich mich lange
nach dem Ende der Beziehung zu ihrem Sohn noch zum Kaffeetrinken getroffen und
mir angehört, wie furchtbar die neue Freundin sei. Eine andere hatte mich statt
der neuen Flamme des Sohnemanns zu ihrem 50ten Geburtstagsfest eingeladen. Ich
hatte einfach ein Ding mit Müttern. Oder besser gesagt, mit normalen Müttern. Woher sollte ich auch
wissen, dass ich in wenigen Stunden auf ein ganz besonderes Mutter-Exemplar
treffen würde?

 
    Zumal ich mich auf meinen Antrittsbesuch so intensiv vorbereitet
hatte, wie es eine südkoreanische Delegation vor einer Reise zu Gesprächen über
Atomwaffen nach Nordkorea tun würde. Wenn ich nur geahnt hätte, dass mein
Vergleich gar nicht so weit hergeholt und ich im Begriff war, mich auf sehr
feindliches Territorium zu begeben - ich hätte noch bessere Vorbereitungen
getroffen. So hatte ich „nur“ einen ganzen Stapel neuer, sehr schicker
Klamotten in meinem Koffer, mit denen ich vor den Augen meines Prinzen und
seiner Eltern ausgesprochen gut, modisch und elegant aussehen würde. Und wer
wünschte sich nicht so eine schicke Frau für seinen Sohn? Den einzigen Sohn, in
diesem Fall.
    Außerdem hatte ich einen Arbeits-Erfolg in der Reisetasche. In
meinem Job als Redakteurin bei einer TV-Produktionsgesellschaft hatte ich eine
30-Minuten-Spezial-Sendung über deutsche Banken abgeschlossen, die sofort von
einem 24-Stunden-Nachrichten-Sender gekauft und nun in der Endlosschleife
gezeigt wurde. Egal, wie langweilig ich meinen Job im Allgemeinen und das Thema
Banken im Besonderen fand, machte das etwas her, dachte ich zufrieden und
schaute aus dem Zugfenster. Draußen peitschten Hagelkörner gegen die Zugfenster
und die Landschaft war in ein undurchsichtiges Grau-in-Grau getaucht.
Vielleicht hätte ich das schlechte Wetter als böses Omen erkennen sollen. Ich
tat es nicht.

 
    „Beim
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