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Schwiegermutter inklusive. Einen Mann gibt es selten allein (German Edition)

Schwiegermutter inklusive. Einen Mann gibt es selten allein (German Edition)

Titel: Schwiegermutter inklusive. Einen Mann gibt es selten allein (German Edition)
Autoren: Anne Harenberg
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Fernsehen! Wirtschaft!“ - Vor meinem geistigen Auge sah ich
stattdessen meine Schwiegereltern schon über den Gartenzaun mit den Nachbarn
über die neue Frau an der Seite ihres Sohnes sprechen. Im Geheimen gestand ich
mir zwar ein, dass ich lieber bei einem Klatsch-Magazin gearbeitet hätte, aber
gerade vor dem ersten Besuch bei den Schwiegereltern war ich froh, dass ich mit
einem seriösen Job aufwarten konnte.
Bei Eltern und Nachbarn klang „Wirtschaftsredakteurin“ einfach besser.

 
    Ich hatte in den vergangenen Wochen immer wieder versucht, mir
meine möglichen Schwiegereltern vorzustellen: wie sie aussahen, was sie
machten, worüber sie sprachen. Leider war der Sohn dieser Schwiegereltern dabei
keine besonders große Hilfe gewesen. Wie Männer eben so sind, hatte er nur sehr
oberflächliche Antworten auf meine ständigen Nachfragen gefunden.
                „Warum
willst du das alles wissen?“ hatte er mich schließlich eines Abends genervt
gefragt. „Du wirst meine Eltern doch bald kennenlernen und dann weißt du, wie
sie aussehen, was ihre Hobbies sind und was sie den ganzen Tag machen. Ich habe
ganz normale Eltern. Ich habe mich doch auch nicht so angestellt, als ich deine
Eltern kennengelernt habe.“
    Das stimmte. Ich war aber eben gerne gut vorbereitet. Siehe Nord-und-Südkorea.
    Immerhin so viel hatte ich mir aus kleineren Bemerkungen oder
Andeutungen meines Freundes zusammengereimt: Seine Mutter war Anfang sechzig
und Geschäftsfrau. Oberste Priorität in ihrem Leben hatten Disziplin und
Konsequenz. Sie war gebildet und weltgewandt. Auf Fernsehen wurde im Elternhaus
meines Freundes weitestgehend verzichtet, da man lieber bei einem guten Glas
Rotwein diskutierte. Mein potentieller Schwiegervater war seines Zeichens
Weinkenner und hatte es als Ziel seines Lebensabends erkoren, die besten Weine
der Welt zu studieren. Worüber man diskutierte und wie genau man Wein studierte,
ohne dabei ständig sturzbetrunken zu sein, fand ich zwar nicht heraus, aber ich
war beeindruckt. Und ein wenig neidisch, wenn ich an meine eigene Familie
dachte.
    Meine Mutter wurde jedes Jahr rundlicher, da ihr jegliche Disziplin
fehlte. Mein Vater hatte in seinem Leben noch keine einzige Flasche Wein
aufgemacht, da er sich von Chips und Bier ernährte. Die Weltgewandtheit meiner
Eltern beschränkte sich darauf, dass sie sich nach langem Zögern im Jahr 2000
endlich eine EC-Karte angeschafft hatten und nicht mehr jedes Mal vor Schreck
in Ohnmacht fielen, wenn sie im Supermarkt eine Münze in den Einkaufswagen
stecken mussten. Mit dem Diskutieren war es in meiner Familie auch nicht so
weit her. Hundertprozentig sicher konnte ich nicht sein, aber ich war ziemlich
überzeugt, dass meine Eltern das letzte Mal miteinander gesprochen hatten, als
ich ausgezogen war. Wahrscheinlich hatten sie sich gegenseitig gratuliert, dass
nun endlich auch das letzte dieser störenden Balgen, die man im jugendlichen
Leichtsinn in die Welt gesetzt hatte, aus dem Haus war. Seit diesem Tag vor
mehr als zehn Jahren saßen meine Eltern von morgens bis abends vor dem
Fernseher, aßen Schokolade bzw. Chips, tranken dazu Likör und Bier und
schwiegen sich zufrieden an.
    Ich seufzte und blickte nochmal aus dem Fenster auf die stürmende
Landschaft, die in Sekundenschnelle an mir vorüberzog. Hoffentlich würde ich
auch in dieser ganz anderen Art von Familie zu Recht kommen. „Wenigstens komme
ich gut bei Müttern an“, tröstete ich mich immer wieder und wurde trotzdem noch
aufgeregter.

 
    Ungefähr eine Stunde bevor ich in Paderborn ankommen sollte, hatte
mich das Rattern des Zuges so eingelullt, dass ich eingeschlafen war. Der
schrille Piep-Ton meines Handys, der eine SMS ankündigte, ließ mich
hochschrecken.
    Leider könne er mich doch nicht wie geplant vom Hauptbahnhof in
Paderborn abholen, da ihm etwas dazwischen gekommen sei, lautete der Text der
SMS meines Freundes. Er war bereits vor zwei Tagen mit dem Auto nach Paderborn
gefahren, um dort an einem Klassentreffen teilzunehmen. Ich solle am besten am
Hauptbahnhof erfragen wie ich weiter nach Nieder-Oberstein käme, es sei ganz
einfach, hieß es wenige Minuten später in einer zweiten SMS.
    Ich wunderte mich zwar ein wenig, warum ich noch nach
Nieder-Oberstein weiterfahren sollte, wo die Eltern meines Freundes doch in
Paderborn wohnten, versicherte mir dann aber selber, dass Nieder-Oberstein wohl
ein Vorort sein müsste und beschloss, mir von dieser kleinen Verzögerung nicht
die
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