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L'Adultera

L'Adultera

Titel: L'Adultera
Autoren: Theodor Fontane
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als
    das verwöhnte Kind eines reichen und vornehmen
    Hauses großgezogen und in all ihren Anlagen aufs
    glücklichste herangebildet worden. Ihre heitere Grazie war fast noch größer als ihr Esprit, und ihre Liebenswürdigkeit noch größer als beides. Alle Vorzüge französischen Wesens erschienen in ihr vereinigt. Ob 5
    auch die Schwächen? Es verlautete nichts darüber.
    Ihr Vater starb früh, und statt eines gemutmaßten
    großen Vermögens fanden sich nur Debets über De-
    bets. Und um diese Zeit war es denn auch, daß der
    zweiundvierzigjährige van der Straaten um die sieb-
    zehnjährige Melanie warb und ihre Hand erhielt. Ei-
    nige Freunde beider Häuser ermangelten selbstver-
    ständlich nicht, allerhand Trübes zu prophezeien.
    Aber sie schienen im Unrecht bleiben zu sollen. Zehn glückliche Jahre, glücklich für beide Teile, waren
    seitdem vergangen, Melanie lebte wie die Prinzeß im Märchen, und van der Straaten seinerseits trug mit
    freudiger Ergebung seinen Necknamen »Ezel«, in
    den die junge Frau den langatmigen und etwas su-
    spekten »Ezechiel« umgewandelt hatte. Nichts fehl-
    te. Auch Kinder waren da: zwei Töchter, die jüngere des Vaters, die ältere der Mutter Ebenbild, groß und schlank und mit herabfallendem, dunklem Haar. Aber
    während die Augen der Mutter immer lachten, waren
    die der Tochter ernst und schwermütig, als sähen sie in die Zukunft.

2
L'Adultera
    Die Wintermonate pflegten die van der Straatens in
    ihrer Stadtwohnung zuzubringen, die, trotzdem sie
    altmodisch war, doch an Komfort nichts vermissen
    ließ. Jedenfalls aber bot sie für das gesellschaftliche Treiben der Saison eine größere Bequemlichkeit als
    die spreeabwärts am Nordwestrande des Tiergartens
    gelegene Villa.

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    Der erste Subskriptionsball war gewesen, vor zwei
    Tagen, und van der Straaten und Frau nahmen wie
    gewöhnlich in dem hochpaneelierten Wohn- und Ar-
    beitszimmer des ersteren ihr gemeinschaftliches
    Frühstück ein. Von dem beinah unmittelbar vor ih-
    rem Fenster anfragenden Petrikirchturme herab
    schlug es eben neun, und die kleine französische
    Stutzuhr sekundierte pünktlich, lief aber in ihrer Hast und Eile den dumpfen und langsamen Schlägen, die
    von draußen her laut wurden, weit voraus. Alles at-
    mete Behagen, am meisten der Hausherr selbst, der,
    in einen Schaukelstuhl gelehnt und die Morgenzei-
    tung in der Hand, abwechselnd seinen Kaffee und
    den Subskriptionsballbericht einschlürfte. Nur dann und wann ließ er seine Hand mit der Zeitung sinken
    und lachte.
    »Was lachst du wieder, Ezel«, sagte Melanie, wäh-
    rend sie mit ihrem linken Morgenschuh kokettisch
    hin- und herklappte. »Was lachst du wieder? Ich
    wette die Robe, die du mir heute noch kaufen wirst, gegen dein häßliches, rotes und mir zum Tort wieder schief umgeknotetes Halstuch, daß du nichts gefunden hast als ein paar Zweideutigkeiten.«
    »Er schreibt zu gut«, antwortete van der Straaten, ohne den hingeworfenen Fehdehandschuh aufzunehmen. »Und was mich am meisten freut, sie
    nimmt es alles für Ernst.«
    »Wer denn?«

    7
    »Nun, wer! Die Maywald, deine Rivalin. Und nun hö-
    re. Oder lies es selbst.«
    »Nein, ich mag nicht. Ich liebe nicht diese Berichte mit ausgeschnittenen Kleidern und Anfangsbuchsta-ben.«
    »Und warum nicht? Weil du noch nicht an der Reihe
    warst. Ja, Lanni, er geht stolz an dir vorüber.«
    »Ich würd' es mir auch verbitten.«
    »Verbitten! Was heißt verbitten? Ich verstehe dich
    nicht. Oder glaubst du vielleicht, daß gewesene Ge-
    neralkonsulstöchter in vestalisch-priesterlicher Un-nahbarkeit durchs Leben schreiten oder sakrosankt
    sind wie Botschafter und Ambassaden! Ich will dir ein Sprüchwort sagen, das ihr in Genf nicht haben wer-det...«
    »Und das wäre?«
    »Sieht doch die Katz' den Kaiser an. Und ich sage
    dir, Lanni, was man ansehen darf, das darf man auch beschreiben. Oder verlangst du, daß ich ihn fordern sollte? Pistolen und zehn Schritt Barriere?«
    Melanie lachte. »Nein, Ezel, ich stürbe, wenn du mir totgeschossen würdest.«
    »Höre, dies solltest du dir doch überlegen. Das Bes-te, was einer jungen Frau wie dir passieren kann, ist 8
    doch immer die Witwenschaft, oder ›le Veuvage‹,
    wie meine Pariser Wirtin mir ein Mal über das andere zu versichern pflegte. Beiläufig, meine beste Reise-reminiszenz. Und dabei hättest du sie sehen sollen, die kleine, korpulente, schwarze Madame...«
    »Ich sehne mich nicht danach. Ich will lieber wissen, wie alt sie
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