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L'Adultera

L'Adultera

Titel: L'Adultera
Autoren: Theodor Fontane
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streng gewesen, aber nicht zu Verdruß
    beider van der Straatens, die vielmehr nun erst wuß-

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    ten, daß der Winter all seine Pfeile verschossen und unweigerlich und ohne weitere Widerstandsmöglich-keit seinen Rückzug angetreten habe. Nun erst konn-
    te man freien Herzens hinaus, hinaus ohne Sorge vor frostigen Vormittagen oder gar vor Eingeschneitwer-den über Nacht. Alles freute sich auf den Umzug,
    auch die Kinder, am meisten aber van der Straaten,
    der, um ihn selber sprechen zu lassen, »unter allen vorkommenden Geburtsszenen einzig und allein der
    des Frühlings beizuwohnen liebte«. Vorher aber soll-te noch ein kleines Abschiedsdiner stattfinden, und zwar unter ausschließlicher Heranziehung des dem
    Hause zunächst stehenden Kreises.
    Es war das, übrigens von mehr verwandtschaftlicher
    als befreundeter Seite her, in erster Reihe der in der Alsenstraße wohnende Major von Gryczinski, ein
    noch junger Offizier mit abstehendem, englisch ge-
    kräuseltem Backenbart und klugen blauen Augen,
    der vor etwa drei Jahren die reizende Jacobine de
    Caparoux heimgeführt hatte, eine jüngere Schwester
    Melanies und nicht voll so schön wie diese, aber rotblond, was in den Augen einiger das Gleichgewicht
    zwischen beiden wieder herstellte. Gryczinski war
    Generalstäbler und hielt, wie jeder dieses Standes, an dem Glauben fest, daß es in der ganzen Welt
    nicht zwei so grundverschiedene Farben gäbe wie
    das allgemeine preußische Militär-Rot und das Gene-
    ralstabs-Rot. Daß er den Strebern zugehörte, war
    eine selbstverständliche Sache, wohl aber verdient
    es, in Rücksicht gegen den Ernst der Historie, schon an dieser Stelle hervorgehoben zu werden, daß er,
    alles Strebertums unerachtet, in allen nicht zu verlo-27
    ckenden Fällen ein bescheidenes Maß von Rück-
    sichtsnahme gelten ließ und den Kampf ums Dasein
    nicht absolut als einen Übergang über die Beresina
    betrachtete. Wie sein großer Chef war er ein Schweiger, unterschied sich aber von ihm durch ein beständiges, jeden Sprecher ermutigendes Lächeln, das er, alle nutzlose Parteinahme klug vermeidend, über
    Gerechte und Ungerechte gleichmäßig scheinen ließ.
    Gryczinski, wie schon angedeutet, war mehr Ver-
    wandter als Freund des Hauses. Unter diesen letzte-
    ren konnte der Baron Duquede, Legationsrat a. D.,
    als der angesehenste gelten. Er war über sechzig,
    hatte bereits unter van der Straatens Vater dem da-
    mals ausgedehnteren Kreise des Hauses angehört
    und durfte sich, wie um anderer Qualitäten so auch
    schon um seiner Jahre willen, seinem hervorste-
    chendsten Charakterzuge, dem des Absprechens,
    Verkleinerns und Verneinens ungehindert hingeben.
    Daß er, infolge davon, den Beinamen »Herr Negati-
    onsrat« erhalten hatte, hatte selbstverständlich seine milzsüchtige Krakeelerei nicht zu bessern vermocht.
    Er empörte sich eigentlich über alles, am meisten
    über Bismarck, von dem er seit 66, dem Jahre seiner eigenen Dienstentlassung, unaufhörlich versicherte,
    »daß er überschätzt werde«. Von einer beinah glei-
    chen Empörung war er gegen das zum Französieren
    geneigte Berlinertum erfüllt, das ihn, um seines »qu«
    willen, als einen Koloniefranzosen ansah und seinen altmärkischen Adelsnamen nach der Analogie von
    Admiral Duquesne auszusprechen pflegte. »Was er
    sich gefallen lassen könne«, hatte Melanie hingewor-28
    fen, von welchem Tag an eine stille Gegnerschaft
    zwischen beiden herrschte.
    Dem Legationsrat an Jahren und Ansehn am nächs-
    ten stand Polizeirat Reiff, ein kleiner behäbiger Herr mit roten und glänzenden Backenknochen, auch
    Feinschmecker und Geschichtenerzähler, der, solan-
    ge die Damen bei Tische waren, kein Wasser trüben
    zu können schien, im Moment ihres Verschwindens
    aber in Anekdoten exzellierte, wie sie, nach Zahl und Inhalt , immer nur einem Polizeirat zu Gebote stehen. Selbst van der Straaten, dessen Talente doch
    nach derselben Seite hin lagen, erging sich dann in lautem und mitunter selbst stürmischem Beifall oder zwinkerte seinen Tischnachbarn seine neidlose Bewunderung zu.
    Diese Tischnachbarn waren in der Regel zwei Maler:
    der Landschaftler Arnold Gabler, ebenfalls, wie Reiff und der Legationsrat, ein Erbstück aus des Vaters
    Tagen her, und Elimar Schulze, Porträt- und Genre-
    maler, der sich erst in den letzten Jahren angefun-
    den hatte. Seine Zugehörigkeit zu der vorgeschilderten Tafelrunde basierte zumeist auf dem Umstande,
    daß er nur ein halber Maler, zur andern Hälfte
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