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Omega

Omega

Titel: Omega
Autoren: Jack McDevitt
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Prolog
     
     
    Auf der Oberfläche von Brinkmann IV (»Moonlight«),
    in IC4756, 1300 Lichtjahre von der Erde entfernt
    Herbst 2230
     
    Dies war die majestätischste Gebäudeformation, die David Collingdale je gesehen hatte. Spitztürme, Kuppeln und Polygone erhoben sich aus Eis und Schnee. Gehsteige verliefen zwischen den Türmen oder ihren Überresten. Viele waren eingestürzt. Da waren Pyramiden und offene Plätze, die einst als Parks oder Gartenhöfe gedient haben mochten. Ein Obelisk beherrschte das Zentrum der Stadt. Dieser Ort existierte außerhalb der Zeit, gefroren und über die Jahrhunderte erhalten; eine Anlage, wie sie Montelet hätte entworfen haben können. Ein Ort aus Kristall und Glas und, zu einer schöneren Zeit, blühenden Bäumen und in Form geschnittenen Hecken und einem verlockenden Wald. Sah man ihn nur zur richtigen Zeit, wenn der gigantische Mond, eineinhalbmal so groß wie Luna, am Himmel stand, so hätte man glauben können, dies sei die heilige Stadt Jerusalem, sei Walhalla, Argolis oder El Dorado bei Nacht.
    Die Stadt sah zu himmlisch aus, um je einer lebendigen Bevölkerung als Heimat gedient zu haben. Stattdessen konnte Collingdale das Gefühl nicht loswerden, dass ihre Erbauer sie als Kunstwerk geschaffen hatten, das nicht wie eine Stadt benutzt werden, sondern gleich einem Monument hatte erhalten bleiben sollen. Viele Türme waren eingestürzt, und ihre geborstenen Fragmente erhoben sich aus einer dicken Schneedecke. Ihr Name war unbekannt, also hatten sie sie Moonlight genannt, die Stadt und die Welt und dieses vage Gefühl der Verlorenheit.
    Ein rauer Wind heulte durch die leeren Straßen, bis er sogar in seinem E-Suit erschauerte, der offenbar nicht ordnungsgemäß arbeitete. Er würde ihn reparieren, wenn er wieder in die Kuppel zurückkehrte. Die Vorstellung, er könnte bei zwanzig Grad unter null ausfallen, behagte ihm nicht.
    Die Sonne kämpfte sich über eine niedrige Bergkette. Vor vielen Tausend Jahren war irgendetwas mit ihr geschehen. Abrams hatte ihm erklärt, es habe etwas mit einer Übersättigung durch Metalle oder ähnliches zu tun und sei, so beharrte er, nur vorübergehend. Schon in einigen weiteren Tausend Jahren wäre alles wieder normal. Nicht, dass das noch etwas ausgemacht hätte.
    Er stand am Äquator, dort, wohin sich die kläglichen Überreste einer einst globalen Zivilisation geflüchtet hatten. Es gab noch mehr Städte. Die meisten lagen in Gebieten, die einst äquatorial gewesen waren. Einige waren unter dichtem Schnee begraben, andere hinter Mauern aus Eis eingefroren.
    Er und sein Team wussten bisher nur wenig über die Spezies, die hier gelebt hatte. Sie wussten lediglich, dass diese Kreaturen alle schon lange tot waren und sich ihre Architektur problemlos mit allem messen konnte, was die Menschheit je hervorgebracht hatte. Kristallene Brücken, die sich über mächtige Flüsse spannten, kegelförmige Kuppeln und breite Flanierwege in luftiger Höhe. Doch nun war alles gefroren, die Brücken ebenso wie die Flüsse, der Kristall wie das Leben.
    Die Ironie der Geschichte mochte sein, dass Moonlight – eine Welt, die in voller Blüte gestanden hatte und gestorben war, als die Menschen gerade die ersten Steine aus dem Fels gebrochen hatten, um mit dem Bau der Pyramiden zu beginnen – vermutlich für alle Zeiten unentdeckt geblieben wäre, stünde ihr nicht die Ankunft eines unerwünschten Besuchers bevor. Ein Forschungsschiff, die Harry Coker, hatte eine Omegawolke beobachtet, eine jener monströsen Wolken, die in Wellen aus dem galaktischen Zentrum hervorströmten und entschlossen schienen, jede Zivilisation auf ihrer Route auszulöschen. Die Coker hatte herausfinden wollen, wie sich die Wolke in dem komplexen Gravitationsfeld eines Planetensystems verhalten würde, als sie die Überreste von Städten auf dem vierten Planeten entdeckt hatte.
    Collingdale blinzelte zu dem stahlgrauen Himmel empor. Die Wolke war vom Nachmittag bis kurz nach Mitternacht sichtbar. Gerade jetzt war sie dort oben, teilweise vom Licht der untergehenden Sonne verschleiert. Bei Tag sah sie vollkommen harmlos aus, nur eine dunkle Gewitterwolke wie Millionen anderer, die er während seines Lebens zu sehen bekommen hatte. Aber diese Wolke ging außerhalb der Atmosphäre am Himmel auf und unter, beschrieb beständig den gleichen Weg über das Firmament und wurde dabei immer größer.
    Die Omegawolken waren ein altbekanntes Phänomen. Ihre Entdeckung lag bereits ein
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