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Der Stern von Yucatan

Der Stern von Yucatan

Titel: Der Stern von Yucatan
Autoren: Debbie Macomber
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1. KAPITEL
    H err, gib ihrer Seele ewigen Frieden …”
    Lorraine Dancy schloss die Augen, als die erste Schaufel Erde auf den Sarg ihrer Mutter traf. Der Klang schien hundertfach verstärkt von allen Seiten auf sie einzustürzen und überlagerte die Worte von Pater Darien. Dort unten im Sarg lag ihre Mutter Virginia Dancy, und sie verdiente sehr viel mehr als eine Decke aus Kentucky-Erde.
    Am Abend des ersten April hatte Lorraine die Mitteilung erhalten, ihre Mutter sei auf dem Freeway in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt gewesen. Zuerst hatte sie das für einen grauenhaften, widerlichen Aprilscherz gehalten, doch der mit Lehm besprenkelte Sarg war sehr real, und sein Anblick zerriss ihr das Herz.
    Der Druck in ihrer Brust wurde stärker, während sie versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Ein leises Wimmern kam über ihre Lippen, und sie zitterte, während sie an diesem grauen Nachmittag den Worten des Priesters lauschte.
    Nach einer Weile entfernten sich die Freunde, die gekommen waren, ihrer Mutter das letzte Geleit zu geben. Pater Darien nahm sacht Lorraines Hände und sprach aufrichtige, mitfühlende Trostworte. Unter Aufbietung all ihrer Selbstbeherrschung brachte sie einen knappen Dank hervor.
    Dann blieb sie am Grab zurück.
    “Liebling.” Gary Franklin, ihr Verlobter, trat näher und legte ihr einen Arm um die Taille. “Es ist Zeit, nach Hause zu gehen.”
    Sie widersetzte sich und blieb stehen, als Gary versuchte, sie zur wartenden Limousine zu bringen. Sie war noch nicht so weit, ihre Mutter zu verlassen. Noch nicht. Es machte alles so endgültig, wenn sie sich jetzt umdrehte und ging.
    Das hätte alles nicht passieren dürfen. Das konnte nicht wirklich wahr sein. Die Realität ließ sich jedoch nicht leugnen – das offene Grab, die Grabsteine, der lehmige Boden. Ängste bestürmten sie von allen Seiten und ließen sie frösteln. Sie war nicht sicher, ohne die Liebe und Unterstützung ihrer Mutter weiterleben zu können. Virginia war ihr Prüfstein im Leben gewesen, ihr Vorbild, eben ihre Mutter.
    “Liebes, ich weiß, das ist schwierig für dich, aber du kannst nicht hier bleiben.” Gary versuchte erneut, sie vom Grab wegzubringen.
    “Nein”, sagte sie mit fester Stimme. Dass der Tod ohne Vorwarnung gekommen war, machte alles so besonders schwierig und schmerzlich. Sie hatten noch an diesem Wochenende miteinander gesprochen. Solange sie denken konnte, waren sie als verschworene Gemeinschaft gegen den Rest der Welt angetreten. Sie hatten sich besonders nahegestanden. Nicht ein Tag war vergangen ohne Kontakt zueinander – durch ein Gespräch, einen Besuch oder eine E-Mail. Am Samstag hatten sie über eine Stunde telefoniert, um die Hochzeitsvorbereitungen zu besprechen.
    Ihre Mutter war begeistert gewesen, als sie Garys Antrag angenommen hatte. Virginia hatte Gary immer gemocht und die Verbindung sehr unterstützt. Zudem waren die beiden blendend miteinander ausgekommen.
    Noch letztes Wochenende – noch vor wenigen Tagen war ihre Mutter am Leben gewesen. Im Telefonat hatte Virginia genau dargelegt, wie sie sich die Hochzeit ihrer einzigen Tochter vorstellte. Sie hatten über das Hochzeitskleid, die Brautjungfern, die Blumenarrangements und die Einladungen diskutiert.
    Lorraine hatte ihre Mutter nie freudiger und aufgeregter erlebt. In ihrem Enthusiasmus hatte Virginia sogar über ihre eigene Hochzeit vor vielen Jahren mit der großen und einzigen Liebe ihres Lebens gesprochen. Sie sprach selten von Lorraines Vater. Die Erinnerungen an ihn waren das Einzige, was sie nicht mit ihrer Tochter teilte – jedenfalls nicht mehr, seit Lorraine das Teenageralter erreicht hatte. Es waren sehr private Erinnerungen, und Virginia schien sie in ihrem Herzen zu verschließen. Sie hatten ihr durch die langen, einsamen Jahre der Witwenschaft geholfen.
    Lorraine konnte sich nicht an ihren Vater erinnern. Er war gestorben, als sie knapp drei war. Offenbar war ihre Mutter so unsterblich in Thomas Dancy verliebt gewesen, dass sie nie in Erwägung gezogen hatte, wieder zu heiraten. Kein Mann könnte es mit Thomas aufnehmen, hatte sie einmal zu Lorraine gesagt.
    Die Liebesgeschichte ihrer Eltern war sehr romantisch gewesen. Als sie noch ein Kind war, hatte ihre Mutter oft vom wunderbaren Thomas Dancy erzählt. In späteren Jahren hatte sie dann immer weniger über ihn gesprochen. Lorraine erinnerte sich jedoch an die Erzählungen von früher. Ihr Vater war ein hochdekorierter Kriegsheld gewesen, und die beiden
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