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Live

Live

Titel: Live
Autoren: Ein Thriller
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23:44
     
    Der Regen hätte Abkühlung bringen sollen. Das hatte zumindest Walter Coburn, der Wetterfrosch der Fox 5 Morgennachrichten gesagt, als hinter ihm die Karte New Yorks auf dem Fernsehschirm erschien, die sich langsam mit Wolken aus Pixeln füllte. Computerisierter Regen, der über die Google Earth Fassung der Ostküste aus dem Süden kam und ohne jegliche sichtbare Wirkung ein digitalisiertes Manhattan überzog.
     
    Walter hatte gelächelt, sich dabei ein paar Schweißtropfen aus der Stirn gewischt und dann die kleine, dünne Nickelbrille auf seiner Nasenspitze zurechtgerückt.
     
    „Die Temperatur am Abend wird nur noch fünfzehn bis zweiundzwanzig Grad betragen. New York wird etwas aufatmen können. Die weiteren Wetteraussichten…“
     
    Draußen war es noch mehr als vierunddreißig Grad. Kleine Pfützen schillerten im Neonlicht der Reklamen, die von der University Street herüber strahlten. Der Regen hatte nur den Dreck runter auf die Straßen gespült, der Jersey Staub, der sich jeden Sommer über Manhattan legte und wie ein heller, brauner Nebel durch die Straßen zu fließen schien und das Atmen schwer machte. Die Feuchtigkeit war verdunstet und hatte trockener Hitze Platz gemacht.
     
    David Rajinesh blinzelte mit müden Augen aus dem Fenster und versuchte, durch die dicke, verkrustete Staubschicht auf dem Glas einen Blick auf die Straße zu werfen.
     
    Er gähnte.
     
    Er wurde immer müde, wenn es warm war. Sein dünnes T-Shirt klebte an seiner Brust und seine Rippen schienen durch den an einigen Stellen beinahe durchsichtig gewordenen Stoff hindurch. Zwischen seinen Beinen war das Gefühl von feuchter Hitze, Schweiß, der sich in den letzten Stunden in seiner Jeans angesammelt hatte.
     
    Draußen war es vierunddreißig Grad.
     
    Im Laden nicht wesentlich weniger.
     
    Verdammte Klimaanlage, dachte David und warf dem grauen Metallkasten, der zwischen dem Fenster und der Ladentheke in die Wand eingebaut war einen frustrierten Blick zu. Vier andere dieser Kasten waren im Supermarkt verteilt. Keiner funktionierte. Er hatte am späten Nachmittag, als die Hitze im Harper‘s kaum noch auszuhalten war, versucht, die Klimaanlage wieder zum Laufen zu bekommen. In den Tiefen von elektrischen Leitungen und Luftschächten hatte es ein leises Räuspern gegeben, als er sie einschalten wollte, dann ein beinahe fröhlich klingendes Glucksen, dann nichts mehr.
     
    Manhattan im Sommer.
     
    David schüttelte den Kopf. Wenn er diese Hitze gewollt hätte, dann wäre er in Indien geblieben. George wird die Klimaanlage morgen wieder in Ordnung bringen lassen , beruhigte er sich, George hat es mir heute am Telefon versprochen. George wird es machen, denn schließlich gehört ihm der Laden. Er muß es machen.
     
    Das war richtig.
     
    George Harper gehörte der Laden, aber das hieß nicht automatisch, daß er sich auch darum kümmerte. Schließlich hatte George noch sieben andere Filialen von Harper‘s Supermarkt in Downtown Manhattan und der Laden an der University Street, Ecke 8te war nicht derjenige, der an erster Stelle auf der persönlichen Liste des Inhabers stand.
     
    Es gab Gerüchte.
     
    Gerüchte, daß George diese Filiale schließen würde, weil sie nicht mehr genug Gewinn abwarf. David gab zwar nicht viel auf Gerüchte, aber die schwindende Zahl an zahlender Kundschaft war ihm ebenfalls aufgefallen. In den letzten Wochen war der Laden kaum noch gefüllt gewesen. In seiner Schicht, von vier Uhr nachmittags bis um Mitternacht, war der Unterschied zu früheren
     
    (besseren)
     
    Zeiten am deutlichsten spürbar geworden. Der Großteil der New Yorker kaufte direkt nach der Arbeit ein, in der Zeit zwischen fünf  und acht Uhr abends. Das Harper‘s war dann immer überfüllt gewesen. Halb Manhattan schien sich den Laden ausgesucht zu haben, um die letzten Einkäufe zu machen, bevor es nach Hause ging.
     
    David seufzte, fuhr sich mit seinen Fingern über das T-Shirt, spürte den Schweiß, der sich in dem Stoff festgesogen hatte und verzog das Gesicht. Er würde mehr als eine Dusche brauchen, wenn er in seinem kleinen Appartement in der Bowery angekommen war. Vielleicht würden nicht einmal zwei oder drei Duschen ausreichen, um das Gefühl von Schmutz  abzuwaschen, das mit Schweiß immer verbunden war. Er versuchte sich zu konzentrieren.
     
    Würde George den Laden aufgeben?
     
    Er wußte es nicht. Wollte es auch gar nicht wissen. Ein Blick auf die blauglühenden Ziffern der großen Uhr, die
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