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Kühlfach vier

Titel: Kühlfach vier
Autoren: Jutta Profijt
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man ein
     Auto klauen will, ist es nicht ratsam, |10| mit dem eigenen Wagen hin- und mit dem geklauten Auto wegzufahren. Die Bullen sind nicht so doof, wie manche Leute meinen.
     Die kommen schnell auf die Idee, die in der Nähe des Tatortes abgestellten Karren zu überprüfen, und dann kriegen sie dich
     schneller, als du gucken kannst. Sollten Sie sich merken, ist ein guter Rat vom Fachmann.
    Öffentliche Verkehrsmittel sind vollkommen unerträglich. Deshalb ging ich ging zu Fuß, lief mir die Gehwerkzeuge platt und
     bekam langsam Blasen an den Fersen, weil ich das Herumpudeln nicht gewöhnt bin. Wofür hat der liebe Herrgott schließlich die
     Autos erfunden? Endlich kam ich also zu dem genannten Parkplatz und tatsächlich stand der voll mit den schärfsten Orgeln,
     die die Schwaben oder die Bayern oder welche Trachtenjodler auch immer in ihren schicken High-Tech-Fabriken zusammenschrauben.
     Ein Ding dicker als das nächste, tiefer, schneller, geiler. Sonderausstattungen, limitierte Editionen und Einzelmodelle nach
     Kundenwunsch. Fünfzig feuchte Träume auf einem halböffentlichen Parkplatz ohne nennenswerte Bewachung. Ein Parkplatz, dessen
     Qualifikation nicht die Sicherheit ist, sondern die Nähe zum Haupteingang. Ein Parkplatz, dessen Benutzung nur den VIP-Gästen
     offensteht. Ein Parkplatz mit einem einzigen Videoauge für mehrere Hundert Quadratmeter, einer Schranke, die jeder halbwegs
     clevere Primelkopf mit Mamis Super-Fitness-Kundenkarte öffnen kann, also die typisch deutsche Sicherheitskatastrophe. Kein
     Problembewusstsein, obwohl jedes Jahr in Deutschland über fünfzigtausend Autos geklaut werden. Vor Einführung der Wegfahrsperre
     waren es übrigens fast doppelt so viele. Und ich gehöre zu denen, die auch die kniffligen Fälle erledigen.
     
    |11| Ich ging also in der einsetzenden Abenddämmerung in meinem unauffälligen Outfit mit unauffälligem Schritt möglichst unauffällig
     über den Parkplatz und blickte mich um – natürlich unauffällig. Und tatsächlich, da war er. Bis zu diesem Moment hätte ich
     nicht geglaubt, dass es wirklich Menschen gibt, die so durch und durch unterirdisch dämlich sind. Menschen, die einen Mercedes
     SLR auf dem unbewachten Parkplatz vor einem Kongresszentrum abstellen und sich einbilden, dass ihre Karre noch da steht, wenn
     sie ihre Mister-Wichtig-Convention abgenudelt haben und vor die Tür treten, um sich in ihre Halbe-Million-Euro-Schüssel zu
     klemmen und nach Hause zu Mutti zu gondeln. Aber tatsächlich, zwischen den dicken Daimlern, Jaguars, BMWs und sogar einem
     Bentley stand er, der SLR, von dem der Auftraggeber mir berichtet hatte. Den wollte Olli haben.
     
    Olli ist ein Autoschieber. Natürlich steht er nicht in den Gelben Seiten unter dem Eintrag »Autoschieber«. Er steht unter
     »Kfz-Werkstatt, An- und Verkauf«, und das ist im Prinzip auch richtig. Nur vertickt er weitaus mehr Autos als er ankauft,
     weil die Beschaffung der Differenz ohne Kaufvertrag und ähnlich lästigem Papierkram vonstatten – geht. Olli ist eine ganz
     große Nummer mit Kontakten in den Osten. Bestimmt denken Sie jetzt sofort an Russland oder Polen, aber das sind nicht seine
     Abnehmerländer. Jede Putzfrau macht inzwischen Geschäfte mit den Russen und den Polen, die sind so etabliert, dass sie schon
     wieder spießig sind. Olli macht Geschäfte mit einer Gang aus einem der kleinen Länder, ich kenne mich in der Ecke nicht so
     gut aus, den Namen habe ich mir nicht gemerkt. |12| Ist ja auch egal. Jedenfalls kennt Olli die gesamte Nord-Süd-Ost-West-Autoschieber-Szene wie seine eigene Gesäßtasche. Mich
     kennt er auch gut, ich habe nämlich mal für ihn gearbeitet, bis wir wegen einer dummen Sache aneinandergeraten sind. Normalerweise
     wäre es weit unter seiner Würde, meine Existenz jemals wieder zur Kenntnis zu nehmen, aber gestern Abend hat er mir einen
     seiner Handlanger vorbeigeschickt. Der gab mir den Auftrag, in dessen Ausführung ich mich gerade befand.
     
    Ich will keine Details verraten, denn einen SLR zu klauen ist eine heikle Kiste, und ich bilde mir etwas darauf ein, als einer
     der wenigen die notwendigen Tricks und Kniffe zu kennen. Deshalb verrate ich sie auch nicht weiter, obwohl mir das Wissen
     ja nun leider nichts mehr nützen wird. Aber um die Sache kurz zu machen: Ich hab das Ding vom Parkplatz weggeklaut. Leider
     war es durch meinen gesegneten Schlaf und den langen Fußweg inzwischen schon etwas später als geplant und die
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