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Kühlfach vier

Titel: Kühlfach vier
Autoren: Jutta Profijt
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verschwinden zu lassen, bevor Kevin
     die Kiste zu Olli brachte. Es half nichts, mein Laufwerk hatte einen Hänger, die Gedanken wollten keine klare Form oder Richtung
     annehmen, also ließ ich völlig entkräftet die Schlüssel in Kevins Hand fallen und schüttelte den Kopf, als er mir anbot, dass
     sein Kumpel mich zurück in die Stadt mitnehmen könnte. Ich stand geschlagene fünf Minuten unbeweglich auf dem Parkplatz, bis
     ich mich dazu durchringen konnte, die Überbleibsel meines fettigen Mitternachtsburgers in die Schüssel des Raststättenklos
     zu kotzen. Danach ging es mir etwas besser und ich machte mich auf den Weg nach Hause.
     
    Diesmal mussten es doch die öffentlichen Verkehrsmittel sein und ich dachte, was jetzt wohl passieren würde. Kevin hatte mehrere
     Hundert PS unter dem Hintern und würde einen Unfall bauen, bei dem das Auto Feuer fing, das sowohl Kevin als auch die Tote
     in feine Asche verwandelte. Das war meine Lieblingsvision. Es gab aber auch andere. Kevin fuhr direkt zu Olli, der blickte
     in den Kofferraum, ärgerte sich darüber, dass ich ihm eine Mumie mitgeliefert hatte, die nicht bestellt war, und kippte die
     Leiche umgehend bei mir vor der Haustür ab. Oder er verteilte Handzettel mit einem Foto der Toten, auf denen stand: »Sie vermissen
     diese Frau? Fragen Sie Pascha, Telefon …«. Am |16| wahrscheinlichsten allerdings war wohl, dass entweder Kevin oder Olli die Leiche im Kofferraum entdeckten, zum nächsten Waldweg
     fuhren, sie dort ausluden und dann den Wagen, ganz wie geplant, Richtung Osten vertickten. Immerhin hatte ich keine Blutlachen
     oder sonstige Verunreinigungen im Kofferraum gesehen, also konnte das Geschäft mit dem fast nigelnagelneuen SLR ganz normal
     über die Bühne gehen.
    Bei diesem beruhigenden Gedanken angekommen, stieg ich aus dem überfüllten Bus, ging die kurze Strecke zu meiner Lieblings-Spielhalle
     und warf ein paar Münzen in die Automaten. Langsam konnte ich wieder normal atmen, nur die Zunge tat höllisch weh, als der
     heiße Kaffee mit vier Löffeln Zucker daran entlanglief.
    Ich zockte fünf Stunden lang und besaß danach keinen einzigen Cent mehr. Nicht nur mein ganzes Geld einschließlich der fünfhundert
     Peitschen aus dem SLR war draufgegangen, schlimmer noch: Ich hatte Mehmet, der den Laden führt, mehrere Kredite aus der Tasche
     geleiert, sodass meine Schulden sich am Ende des Tages auf schlappe neunzehnhundert Euro beliefen. Nicht nur Automatenschulden,
     aber das dürfte den Cleveren unter Ihnen bereits klar geworden sein. Mehmet war wütend, weil er offiziell keine Kredite geben
     darf und jetzt selbst für den Verlust geradestehen musste. Ich hatte ihm dauernd von einem großen Deal erzählt und musste
     nun versprechen, ihm die Kohle zu bringen, sobald ich meinen Anteil an dem Geschäft erhalten hatte. Ich versprach’s und hoffte,
     die versprochene Kohle von Olli tatsächlich zu bekommen. Achtundvierzig Stunden betrug meine Schonzeit, danach würde Mehmet
     auf die Jagd gehen. Der Tag hatte beschissen |17| begonnen, er hatte einen katastrophalen Höhepunkt gehabt, und er endete im Desaster.
     
    Weder am nächsten noch am übernächsten Tag hörte ich von Kevin oder Olli, und das machte mich langsam nervös. Die achtundvierzig
     Stunden, die Mehmet mir gewährt hatte, liefen bald aus und ich wusste nicht, wie ich die Schulden bezahlen sollte. In der
     Wohnung hatte ich noch fünfzig Euro gefunden, meine eiserne Reserve in den zusammengerollten Sportsocken, die ich schon seit
     Jahren nicht mehr trug, aber wenn ich Mehmet mein Sockengeld gab, war ich völlig blank und er war immer noch sauer, das war
     also keine Lösung. Ich hockte abwechselnd bei mir zu Hause und in meinen liebsten Kneipen rum, wartete darauf, dass Kevin
     oder ein anderer Laufbursche von Olli auftauchte, um mir die versprochenen zweitausend Euronen zu geben, und wurde kurz vor
     Ablauf des Ultimatums nervös. Noch nervöser, als ich ohnehin schon war. Ich wollte nicht wie ein Schlachtvieh dumm rumstehen
     und auf den Typ mit dem Bolzenschussgerät warten, also setzte ich mich in die nächstbeste Straßenbahn, fuhr einfach drauflos,
     wechselte Linie und Richtung, fuhr zurück, nahm dann den Bus und fuhr kreuz und quer durch die Stadt. Ich wechselte wieder
     in die Straßenbahn, wo es abwechselnd eiskalt oder brüllend heiß war, und als ich einen Sitzplatz am Fenster ergatterte und
     den Beschlag von der Scheibe wischte, lagen schon zwei Zentimeter
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