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Kopf Unter Wasser

Kopf Unter Wasser

Titel: Kopf Unter Wasser
Autoren: André Kubiczek
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Kiste gefunden hatte. Der Wirt sagte nichts, sondern nickte nur.
    Die geschwungene Hügellinie jenseits der Landepiste war Balsam für Henrys Augen, das Grün der Bäume wie eine lindernde Kompresse.
    Mit dumpfem Knall stürzte eines der Modelle ab, zerschellte im Gras neben der Piste. Die Kinder sprangen erschrocken zur Seite, einer der Männer fluchte, die anderen begannen, ihre Maschinen zu landen.
    Aus der dröhnenden Kühltruhe des Wirtes wählten sich die Kinder Eis am Stiel für den Heimweg aus.
    Henry trank Schnaps zum Bier, der Wirt machte ihm zwei Bockwürste heiß. Wieder kamen die Paare, bestellten Bier und Sekt und sahen schweigend auf die Hügellinie, hinter der die orangefarbene Sonne versank.
    Bevor er sich verabschiedete, stellte der Wirt eine letzte Flasche Bier vor Henry ab. Er klopfte ihm auf die Schulter und ging. Henry hörte, wie er den Motor seines Wagens anließ, und er sah die Scheinwerfer aufleuchten.
    Dann war es still. Nur manchmal wehte von den Dörfern Hundegebell herüber, oder eine Grille begann zu zirpen.
    Oben leuchteten die Sterne, unten war alles schwarz.
    Henry trank das Bier aus, dann suchte er am Zaun nach dem Rad. Er fand es nicht, er hatte wohl vergessen, es abzuschließen, und die arglosen Kinder hatten es vermutlich auf dem Heimweg gestohlen. Auch die Zigaretten fehlten. Er schloss die Augen für eine halbe Minute, Gedankenfetzen rotierten in seinem Schädel, er riss sie wieder auf, als es ihn würgte. Knapp konnte er den Brechreiz unterdrücken. Seine Beine waren mit einem Mal weich. Er lief schwankend zur Gaststätte zurück. Auf dem Plastiktisch neben zwei leeren Bierflaschen fand er seine Zigaretten. Er steckte sie ein, dann nahm er die Flaschen, um sie vor die Gaststättentür zu stellen. Als er aus der Hocke wieder hochkam, wurde ihm schwarz vor Augen. Er griff nach der Klinke, er stolperte gegen die Flaschen, die klirrend umfielen, er drückte im Sturz die Klinke, und die Tür ging auf.
    Der Wirt hatte vergessen abzuschließen. Im Gastraum roch es nach kaltem Rauch. Henry machte Licht und ging in die Küche. Aus dem Kühlschrank nahm er ein weiteres Bier, durchwühlte die Schubladen nach einem Öffner, fand aber nur ein Küchenbeil, mit dessen stumpfer Seite er den Kronkorken abhebelte.
    Es gab keinen Herd, nur einen zweiflammigen Kocher, unter dem zwei Propangasflaschen standen. Henry drehte den Gasregler auf und hielt sein Feuerzeug daran. Er sah der Flamme eine Weile beim Brennen zu, dann drehte er sie wieder ab. Er löschte das Licht, nahm das Küchenbeil und ging in den Gastraum. Dann setzte er sich an einen der Tische und schlief ein, den Kopf auf die Platte gelegt.
    Als er wieder aufwachte, fiel feuerroter Schein durch die Fenster in den Gastraum. Henry konnte deutlich die Umrisse der Einrichtung erkennen. Er nahm das Beil, ging in die Teeküche und durchtrennte die Schlauchleitungen, die von den Gasflaschen zum Kocher führten. Er hielt das brennende Feuerzeug dran, aber nichts passierte, er schlug mit dem Beil auf die Ventile ein und hielt erneut das Feuerzeug daran. Wieder passierte nichts. Henry nahm den Kocher und warf ihn auf den Boden, er trat gegen die Gasflaschen, dann ging er raus auf die Terrasse.
    Es sah aus, als ob der Himmel brannte, ein Bündel fluoreszierender Lichtstraßen führte von der Hügelkette bis über den Flugplatz, wo es sich verzweigte, eine neongrelle Lichtspur vor blutrotem Hintergrund, die Richtung Berlin zeigte.
    Es gelang Henry nicht, die Tür der Flugzeughalle zu öffnen. Er hämmerte auf das Schloss ein, bis die Klinge des Beils in hohem Bogen wegflog. Er stellte sich unter die Schlauchanschlüsse des Tankcontainers, legte den Kopf in den Nacken und starrte in den phantastischen Himmel. Aber es existierte kein Gott, der das Kerosin fließen ließ, und so gab Henry endlich auf.
    Bis zu seinem Elternhaus waren es etwa fünfzehn Kilometer. Henry setzte sich langsam in Bewegung.
    Als er den Waldrand erreichte, hatte sich die Zeichnung des Himmels verändert – das Bündel Lichtstrahlen war jetzt zu einer Spirale gebogen –, seine Farbe war gleich geblieben.
    Henry betrat den Wald, trockenes Reisig knackte unter seinen Schuhen. Er ging vielleicht zweihundert Meter, dann setzte er sich, den Rücken an eine Kiefer gelehnt, um zu verschnaufen.
    Henry zündete sich eine Zigarette an: Nie würde Johanna ein
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