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Kopf Unter Wasser

Kopf Unter Wasser

Titel: Kopf Unter Wasser
Autoren: André Kubiczek
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rechnen müsse, sagte die Beamtin, die draußen im Streifenwagen seine Personalien aufnahm.
    Henry versuchte ihr in wenigen Worten die Situation zu erklären.
    Bei allem Verständnis, sagte die Polizistin, solche Probleme könne man nicht in Wildwestmanier lösen, nicht auf eigene Faust. Er solle sich einen Anwalt nehmen und vor Gericht darum kämpfen, seine Tochter zu sehen.
    Noch am selben Nachmittag rief Henry Peter an und fragte, ob sie sich treffen könnten. Es gehe um nicht weniger als seine nackte Existenz.
    Peters Zustimmung klang nicht begeistert, aber er nannte den Namen einer Bar nahe dem Park und sagte, dass er nach Büroschluss, ab neun, dort auf Henry warten werde.
    Als Henry um halb zehn die Bar betrat, wirkte Peter schon leicht angetrunken. Er saß am Tresen und las in einer Akte, die aufgeschlagen vor ihm lag. Er fragte, nachdem sie sich zur Begrüßung wortlos die Hand gegeben hatten, was so dringend sei, dass es keinen Aufschub dulde.
    Es gehe um Johanna, sagte Henry und bestellte ein Bier. Ihm zitterte die Hand, als er das Glas zum Mund führte. Peter, der von seinem Whisky nippte, sah es.
    Er sei befangen, sagte Peter, weil er Birte und die Kleine mindestens einmal im Monat sehe. Er könne ihm nicht weiterhelfen, nicht als Anwalt.
    Henry erzählte von seinem heutigen Auftritt im Kindergarten, wie er die Erzieherin umgestoßen hatte, wie er von Koch und Hausmeister überwältigt und in den Keller gesperrt worden war.
    Peter nahm einen Schluck Whisky und verzog angewidert das Gesicht.
    Henry erzählte von den Männeraktivisten und dass er nicht werden wolle wie sie, selbstmitleidige, jammernde, alles erduldende Waschlappen.
    Er könne nicht mehr tun, als ihm die Adresse eines guten Kollegen zu geben, sagte Peter. Er solle sich mal vorstellen, was Cynthia sagen würde, wenn er Henry gegen Birte verträte. Auf jeden Fall rate er ihm zur Zurückhaltung. Mit der Brechstange wie heute erreiche er das Gegenteil von dem, was er wolle.
    Was ein Termin bei einem Anwaltskollegen koste, fragte Henry.
    Peter überlegte kurz. Dann sagte er, dass es eigentlich Quatsch sei, dass er vor Gericht sowieso keine Chance habe. Wenn er ihn frage, sei das Geld für einen Anwalt rausgeschmissen.
    Ob er ihm wenigstens Birtes neue Anschrift geben könne.
    Nein, das könne er nicht, sagte Peter und winkte der Barkeeperin, ihnen eine neue Runde zu bringen, und als die Getränke kamen, holte er aus der Innentasche seines Jacketts eine Zigarre hervor, studierte die Bauchbinde, hielt sie sich an die Nase, sog den Geruch ein. Dann biss er die Zigarrenspitze ab, spuckte sie in den Aschenbecher und winkte der Barkeeperin, die mit einem Kaminstreichholz kam, um ihm Feuer zu geben.
    Henry klammerte sich an sein Bier, bemüht, nicht an die Kindergartensache zu denken, nicht an Birte und nicht daran, ob ihn Johanna am Nachmittag erkannt hatte, wie er annahm, oder nicht. Er musste sich ablenken, er fixierte, während Peter redete, dessen Hand, die blonden Härchen auf seinen Fingern, den goldenen Ehering.
    Peter erzählte gerade, dass er selbst gern Kinder hätte, am liebsten eine Tochter wie Johanna, und dass die Beziehung zu seinen Eltern, die sich wie sonst nichts auf der Welt Enkel wünschten, wegen der Kinderlosigkeit von Jahr zu Jahr frostiger werde. Nach einer weiteren Getränkerunde behauptete er, Cynthia sei zu faul, um Kinder zu bekommen. Und für die Dauer von mindestens achtzehn Jahren auch noch jemand anderem verpflichtet zu sein anstatt nur sich selbst, diesen Gedanken könne sie nicht ertragen.
    Kurz nach Mitternacht waren Peter und Henry die letzten Gäste. Die Barkeeperin rauchte Zigaretten und polierte Gläser.
    Er habe da jemanden kennengelernt, sagte Peter, eine alleinstehende Frau, geschieden.
    Aha, sagte Henry.
    Mit Kind.
    Was denn ihr Exmann dazu sage, rief Henry und wandte den Blick von Peters behaarten Fingern ab, der Vater dieses bedauernswerten Kindes.
    Das sei ihm so was von egal, sagte Peter und grinste.
    Ein kalter Hauch traf Henry im Nacken. Er drehte sich zur Tür um, durch die ein später Gast kam, eine junge, blasse Frau, mit glattem blonden Haar, das ihr über die Schulter fiel. Sie trug ein knielanges Kleid, das aus mehreren Schichten dünnen, fast transparenten Stoffs zu bestehen schien und in starkem Kontrast zu den klobigen Wanderstiefeln stand, in denen ihre nackten Füße steckten. Auf dem Rücken trug
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