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Kopf Unter Wasser

Kopf Unter Wasser

Titel: Kopf Unter Wasser
Autoren: André Kubiczek
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nicht.«
    Â»Sondern?«
    Â»Keine Ahnung.«
    Â»Ã–ffne das Handschuhfach«, sagte die Frau.
    Henry gehorchte. Außer einem Handy lag dort nur ein zusammengefaltetes Blatt Papier.
    Â»Es ist der Zettel«, sagte die Frau, »sieh ihn dir an«.
    Henry faltete das Blatt auseinander, es war die Laserkopie eines Fotos, es war Peters totes Gesicht von der Webseite des Polizeitickers.
    Â»Peter«, sagte Henry.
    Â»Dein toter Freund.«
    Â»Er war nicht mein Freund.«
    Â»Das konnte ich sehen, als du zugeschlagen hast, die Wut in deinen Augen …«
    Â»Ich hab nichts zu tun mit seinem Tod.«
    Â»Nein«, sagte die Frau, »das waren wir.«
    Â»Aber warum?«
    Â»Er hat es verdient. Wir haben ihm aufgelauert, vor der Bar.«
    Â»Viele hätten es verdient«, sagte Henry.
    Â»Bei irgendwem muss man beginnen.«
    Â»Bullshit: Er trug seinen Jogginganzug.«
    Â»Du hast recht, es war anders, Stunden später. Er lief durch den Volkspark und hörte Musik.«
    Â»Vermutlich um nüchtern zu werden«, sagte Henry.
    Â»Wenn wir nachts in der Stadt bleiben, schlagen wir unsere Zelte dort auf. Es gibt Bäume, Hügel, Unterholz und Dickicht, ein kleiner Wald in der Stadt, vertrautes Terrain. – Er sah unser Feuer, kurz bevor wir es gelöscht hätten, denn eben hatte es zu dämmern begonnen. – Er kam direkt auf uns zu, und er erkannte mich. Er griff nach meinem Arm und packte mich. Er schrie und keuchte, ich stieß ihn fort, aber er hat mir nachgesetzt. – Eine der Schwestern nahm die Armbrust und zielte.«
    Â»Sie nahm eine Armbrust ?«
    Â»Wir sind nicht als Freunde unterwegs.«
    Â»Diese merkwürdige Wunde, die Cynthia erwähnt hat, dieses Loch in der Brust …«
    Â»Wir benutzen Bolzen aus Eis, im Kofferraum steht ein Thermosbehälter mit flüssigem Stickstoff.«
    Â»Warum dieser Aufwand?«
    Â»Es ist eine Frage des Stils«, sagte die Frau. »Dort beginnt die Stadt.« Sie zeigte aus dem Fenster.
    Henry sah das Ortsschild vorbeifliegen: Berlin. Es musste tiefe Nacht sein, die Vorstadtsiedlung, durch die sie fuhren, lag im Dunklen, sie stießen aus Norden Richtung Zentrum vor.
    Â»Ich bin dir gefolgt an dem Abend«, sagte die Frau. »Ich wusste, als ich dich sah, dass es kommen würde mit dir, wie es kam.«
    Â»Ich hab dich vorher schon einmal gesehen, in der S-Bahn. Ihr wart zu zweit.«
    Â»Mag sein«, sagte die Frau, »ich kann mich nicht erinnern.«
    Sie schwiegen eine Weile.
    Â»Was tut ihr überhaupt in der Stadt?«, fragte Henry dann.
    Â»Wir wählen Ziele aus und Rückzugsmöglichkeiten, wir rekrutieren Menschen wie dich. Verbündete, die sich auskennen«, sagte die Frau, »Pfadfinder, die uns leiten können.«
    Â»Aber was ist das Ziel?«
    Â»Die Städte zurück in die Wälder zu holen.«
    Â»Blödsinn.«
    Â»Du solltest nicht vorschnell urteilen. – Die Zeit ist auf unserer Seite.«
    Allmählich wurden die Häuser am Straßenrand höher, die wild bewachsenen Brachen verschwanden, in der Fahrbahn erkannte Henry die eingelassenen Straßenbahngleise.
    Â»Wo fahren wir eigentlich hin?«
    Â»Gedulde dich, wir sind gleich da.«
    Die Frau parkte den Wagen in zweiter Reihe vor einem Gründerzeithaus, keine fünfhundert Meter von Henrys alter Wohnung entfernt. Die Fassade war frisch gestrichen, im Erdgeschoss befand sich eine Weinhandlung, die Henry noch nie hier bemerkt hatte, die gardinenlosen Fenster der Wohnungen waren allesamt dunkel.
    Â»Geh in die zweite Etage, und sieh dich dort um, ich warte hier«, sagte die Frau.
    Â»Was soll ich da?«
    Â»Schau auf das Klingelbrett, das wird deine Frage beantworten.«
    Â»Und wie komme ich da hinein?«
    Â»Du brauchst keine Schlüssel mehr, geh einfach durch die Tür.«
    Vor der Wohnung, im Hausflur unter der Klingel, stand auf einer Blumenbank ein Topf blühender Orchideen.
    Henry trat vorsichtig ein, stand dann unschlüssig im Flur herum, wagte nicht weiterzugehen in die unbekannte, dunkle Wohnung hinein. Er fürchtete, das Holz der Dielen könne knarren und die Bewohner aufwecken. An der Garderobe neben der Tür hing eine helle Regenjacke aus PVC, darunter stand ein Paar Gummistiefel mit aufgedruckten Prinzessinnen. Vom Flur gingen fünf Türen ab, Henry entschied, die nächstgelegene zu betreten. Es war das Bad, ein geräumiger Raum, in
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