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African Angel - Mit 50 Cents die Welt veraendern

African Angel - Mit 50 Cents die Welt veraendern

Titel: African Angel - Mit 50 Cents die Welt veraendern
Autoren: Harriet Bruce-Annan
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I. PROLOG
      
     
    Mit einem Klirren fällt die Münze in den Teller. Ich bedanke mich. Die Frau wendet sich zum Gehen, da fällt ihr Blick auf das Plakat hinter mir. Sie stutzt. Dann sieht sie mich zum ersten Mal richtig an.
    »Ach, Sie sind das?! Ich kenne Sie doch aus dem Fernsehen!«
    Und schon sind wir im Gespräch. Wie toll sie das findet, was ich mache, sagt sie mir. Und ob ihre 50 Cent wirklich diesen armen Kindern in Ghana zugutekommen, will sie wissen. Sie nimmt einen Flyer mit. Vielleicht wird sie eine Patenschaft übernehmen. Sie will es sich überlegen.
    Sie ist schon draußen, als sie noch einmal stehen bleibt und zurückschaut. Unsere Blicke kreuzen sich nur für einen Moment. Und auf einmal habe ich ein Déjà-vu-Erlebnis – eine Szene aus längst vergessenen Zeiten. Damals war ich diejenige, die auf der anderen Seite der Türschwelle stand.
    Diesen Augenblick werde ich niemals vergessen. Es war eine von jenen Begebenheiten, wie man sie tausendfach erlebt. Ich hatte ihr keinerlei Bedeutung beigemessen. Wie hätte ich auch ahnen können, dass sie wie eine Prophezeiung das vorausnahm, was ich wenig später selbst erleben sollte?
    Ich war Mitte 20, eben erst in Deutschland angekommen und stand im doppelten Sinn an einer Schwelle. Tatsächlich stand ich vor einer Düsseldorfer Flughafentoilette und erblickte durchdie offene Tür eine junge Frau ganz in Weiß, die dort ihrer Arbeit nachging. Sie hatte sich gerade aufgerichtet und schaute zu uns herüber. Unsere Augen begegneten sich nur ganz kurz.
    »So ein schönes Mädchen!«, sagte der Mann an meiner Seite. »Und sie muss hier die Toiletten putzen!«
    Ich weiß nicht, warum er mir das sagte. Warum er mich auf sie aufmerksam machte. Ich sah hin, sah über diese Schwelle, sah das Mädchen. Was für ein Schicksal, dachte ich. Denn in Afrika ist jemand, der Toiletten sauber machen muss, am Ende der sozialen Leiter angekommen, tiefer geht es nicht.
    Ich wischte den Gedanken beiseite, wandte mich ab und ging weiter, in meinen eleganten Stöckelschuhen und dem ärmellosen Leinenkleid. Es war Winter in Deutschland. Ich wusste nicht, was das bedeutete. So wie ich auch nicht wusste, was mich hier erwarten würde – an welchem Scheideweg sich mein Leben befand. Ich konnte lediglich sagen, was hinter mir lag. In meiner Heimatstadt Accra in Ghana hatte ich in einer seriösen Straßenbaufirma eine gut bezahlte Position als Computerprogrammiererin mit glänzenden Aufstiegsmöglichkeiten innegehabt. Ich hatte die Stelle gekündigt – für eine vermeintlich bessere Zukunft in Europa, von der mich mein Mann nach vielen hartnäckig geführten Diskussionen überzeugt hatte. Ich war bereit gewesen, viel aufzugeben, nun freute ich mich auf den Neuanfang.
    Damals überschritt ich an der Seite meiner einzigen großen Liebe selbstbewusst und stolz die Schwelle, die mein vergangenes Leben in Ghana von meiner Zukunft in Deutschland trennte. Ich war neugierig auf das, was kommen würde. Schon bald hatte ich die schöne Toilettenfrau vergessen; ihr Bild verblasste. Erst später, als alles so vollkommen anders gekommen war, als ich es mir vorgestellt hatte, als auch ich am absoluten Tiefpunkt meines Lebens angelangt war, habe ich mich an die Szene am Düsseldorfer Flughafen und an die Worte meines Mannes erinnert: »So ein schönes Mädchen! Und sie muss hierdie Toiletten putzen!« Hatte er mich warnen wollen? Hatte er eine Drohung ausgesprochen? Oder ist letztlich auch er nur das Werkzeug einer höheren Macht gewesen, das dabei geholfen hat, mein Schicksal zu erfüllen?
    Ich werde es nie erfahren. Es ist auch nicht mehr wichtig. Mittlerweile habe ich gelernt, mein Schicksal anzunehmen. Alles musste so kommen, wie es kam; ich wäre heute nicht die, die ich bin, hätte ich damals nicht diese Schwelle überschritten . African Angel wäre nie gegründet worden, wäre ich nicht durch die Hölle gegangen. Und wer würde dann den Kindern in Bukom helfen, sie aus ihrem Elend herausholen und ihnen die Chance auf eine aussichtsreiche Zukunft geben? Alles hatte seinen Sinn – ich bereue nichts.
    Und dennoch denke ich manchmal voller Wehmut und Zärtlichkeit an die unbekümmerte junge Frau zurück, die ich damals war. Noch heute steigen mir Tränen in die Augen, wenn ich mir die Vorfreude ins Gedächtnis rufe, die mich erfüllte. Ich hatte mir die Zukunft bereits in den schönsten Farben ausgemalt: Mein Studium würde mir ermöglichen, als Systemanalytikerin zu arbeiten. Der Mann
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