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Bambule am Boul Mich

Bambule am Boul Mich

Titel: Bambule am Boul Mich
Autoren: Léo Malet
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Verliebte
glauben nicht ans Unglück
     
    Es war ein unfreundlicher
grauer Tag, der auf alles abfärbte. Wolken und Moral hingen am Boden. Noch drei
Wochen trennten uns von Weihnachten, aber der Ewige Vater im Himmel brachte
schon jetzt seine Pension Zur Heiligen Familie für das Weihnachtsessen auf
Hochglanz. Er rupfte die Gänse, und die Federn fielen auf Paris nieder. Zuerst
waren die Schneeflocken noch schüchtern, unverfrorene sollten ihnen folgen.
Dafür garantierte die Farbe des Himmels.
    Ich stand am Fenster in meinem
Büro, Pfeife im Mund. Die Musselingardinen hatte ich zur Seite gezogen, um
besser nach draußen sehen zu können. Ich beobachtete, wie der scharfe Wind die
schneeweiße Pracht hoch wirbelte. Neben anderen fröhlichen Gedanken kam mir
auch der, daß der Winter wirklich Einzug hielt, was Hélènes Gesundheitszustand
kaum verbessern würde. Eine mehr oder weniger asiatische Grippe hatte sie in
die Kissen geworfen. Was mich anging, so langweilte ich mich zu Tode. Wenn das
noch eine Woche so weiterging, wollte ich lieber sofort meine Rente einreichen.
    Als das Telefon klingelte,
stürzte ich sofort zum Apparat. Die Meldung einer Katastrophe würde wenigstens
etwas Leben in die Bude bringen.
    „Hallo“, meldete ich mich.
    „Hallo“, antwortete eine
weibliche Stimme. „Ist dort die Agentur Fiat Lux?“
    „Ja, Madame... oder
Mademoiselle?“
    „Mademoiselle. Monsieur Burma?“
    Jetzt entschloß ich mich doch,
die Pfeife aus dem Mund zu nehmen.
    „Höchstpersönlich.“
    „Guten Tag, Monsieur. Mein Name
ist Jacqueline Carrier... Ich würde gern zu Ihnen kommen...“
    Was Besseres konnte mir gar
nicht passieren. Wenn Ihre Federn so schön sind wie Ihre Stimme,
Mademoiselle... Eine junge Stimme, angenehm warm, kehlig, ein wenig gekünstelt,
wie bei manchen Schauspielerinnen. Nicht so grotesk vibrierend wie die von
Marie-Chantal, aber trotzdem gekünstelt, dabei sehr angenehm, verführerisch,
sehr erregend.
    „Nichts einfacher als das,
Mademoiselle. Rue des Petits-Champs...“
    „Ich weiß“, unterbrach sie
mich. „Leider geht es heute nicht. Andererseits hab ich schon lange damit
gewartet...“ Die Stimme war immer noch warm, schien aber durch eine Spur
schlecht unterdrückter Erregung verändert. Ich versuchte, etwas Ordnung in das
Gestammel meiner Gesprächspartnerin zu bringen.
    „Worum geht es?“ fragte ich.
    „Befassen Sie sich mit Mord?“
fragte sie zurück.
    „Nicht ganz, obwohl... ich
werde oft gerufen, damit ich mir’s ansehe. Ich lauf den Leichen zwar nicht
hinterher, aber eine hab ich immer bei der Hand, wenn’s sein muß. Zur
besonderen Verwendung. Und Angst hab ich auch nicht davor...“
    „Bitte, Monsieur. Machen Sie
keine Witze.“
    „Entschuldigen Sie, Sie haben
recht... falls es sich bei Ihnen um Mord handelt.“
    „Also eigentlich... ja... glaub
ich ..
    „Wie, glaub ich? Sind Sie sich
nicht sicher?“
    „Na ja... äh... das kann man am
Telefon schlecht erklären... Hören Sie, Monsieur, würde es... würde es Ihnen
was ausmachen, mich heute abend zu besuchen?“
    „Bestimmt nicht. Wo?“
    „ Chez Colin des Cayeux. “
    „Colin des Cayeux? Ich dachte,
den hätte man erhängt. Oder handelt es sich um einen Nachfahren des Freundes von
François Villon?“
    „Es handelt sich um den Freund
von François Villon selbst. Aber nicht leibhaftig. Es ist der Name des
Cabarets, in dem ich arbeite. Im Quartier latin.“
    „Ach ja? Ach ja... natürlich.
Sind Sie Sängerin?“
    „Ja... ich singe ein wenig.“
    „Und wo geistert er rum, dieser
Colin des Cayeux?“
    „In
der Rue des Grands-Degrés. Ecke Rue du Haut-Pavé .“
    „Verstehe. Zwischen der Place
Maubert und dem Quai Montebello, stimmt’s?“
    „Genau. Waren Sie schon mal
da?“
    „Ich kenne die Gegend.“
    Und ich war auch schon mal da,
vor langer Zeit. Das Cabaret befand sich an einem pittoresken Flecken, wo sich
Clochards, arme Studenten und „die kleinen Leute“ aufhielten. Hatte damals aber
nicht Chez Colin des Cayeux sondern Le Poète pendu geheißen. Wenn man’s genau betrachtet, ist das ja auch dasselbe.
    „Werden Sie kommen, Monsieur?“
    Warum nicht? Ich hatte sowieso
nichts anderes vor.
    „Ja. Wann?“
    „Ich trete so gegen Mitternacht
auf. Seien Sie etwas früher da... oder etwas später. Wie Sie wollen.“
    „Einverstanden. Bis heute
abend, Mademoiselle.“
    „Danke, Monsieur. Bis heute
abend.“
    Bevor ich mich wieder der
Betrachtung der Schneeflocken widmete, kramte ich aus meinem
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