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Kopf Unter Wasser

Kopf Unter Wasser

Titel: Kopf Unter Wasser
Autoren: André Kubiczek
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sie einen fellbespannten Tornister, den sie abnahm, und setzte sich an den Tisch, der am nächsten zur Tür stand. Dort holte sie ein taschenbuchgroßes Notebook hervor, stellte es vor sich hin und klappte es auf.
    Henry hatte diese Kombination aus Kleid und Tornister schon einmal gesehen. Er konnte sich sogar noch erinnern, wann: Es war einen Tag nach Johannas Geburt gewesen, in der Ringbahn Richtung Osten.
    Peter, der sich ebenfalls nach ihr umgedreht hatte, winkte die Barkeeperin heran und sagte, sie solle der Frau ein Glas Champagner auf seine Rechnung bringen.
    Die Frau sah vom Bildschirm auf, als die Barkeeperin das Glas neben ihr Notebook stellte und auf Peter deutete, der ihr vom Tresen zuwinkte. Ihr Blick war kalt, ihr Gesicht mit der schmalen Nase und den mandelförmigen Augen blieb ohne Regung. Sie wechselte ein paar Worte mit der Barkeeperin und tippte dann weiter.
    Was sie gesagt habe, wollte Peter von der Barkeeperin wissen, als sie wieder hinter der Theke stand.
    Das Passwort, sagte die Barkeeperin, sie habe das Passwort wissen wollen für den drahtlosen Internetzugang.
    Ob auch er sehe, dass sie nichts trinke, fragte Peter.
    Ja, sagte Henry.
    Und dieser Blick. Eine arrogante Hippieschlampe, mehr sei sie doch nicht.
    Er müsse mal aufs Klo, sagte Henry, und dass sich Peter abregen solle.
    Als er wiederkam, stand Peter am Tisch der blonden Frau und blies ihr Zigarrenrauch ins Gesicht.
    Sie solle den Champagner trinken, auf der Stelle, sagte er, sonst passiere ein Unglück.
    Die Frau sah ihn an, kalt wie zuvor, keine Spur von Furcht im Gesicht. Dann blickte sie wieder auf den Bildschirm.
    Henry ging zu Peter hinüber und legte ihm seine Hand auf die Schulter, es sei Zeit zu gehen. Auf dem Notebookbildschirm erkannte er die Luftaufnahme einer Landschaft, Seen, Felder, Waldstücke, ein Geflecht von Straßen.
    Er solle ihn loslassen, schrie Peter und stieß Henry den Ellbogen in die Seite. Dann drehte er sich zu ihm um.
    Mit der flachen Hand schlug Henry ihm die Zigarre aus dem Gesicht. Sie landete neben den Barhockern am Tresen.
    Peter starrte ihn ungläubig an. Die blonde Frau sah vom Bildschirm auf. Sie hatte türkisfarbene Augen. Henry wandte den Blick ab.
    Peter ging zum Tresen rüber und bückte sich nach der Zigarre. Henry folgte ihm. Dann standen sie sich gegenüber, Peter hatte die leicht zerdrückte Zigarre im Mund und blies jetzt Henry den Rauch entgegen.
    Plötzlich begann er zu grinsen. Er kam einen Schritt näher und fragte, ob er Henry schon von dieser Sache erzählt habe, nein? Eine Frau mit Kind habe er kennengelernt, sagte Peter, ein süßes kleines Balg, mit einer Tochter, blond zwar, aber ansonsten Johanna sehr ähnlich und genau wie sie vier Jahre alt. Sie sehne sich so sehr nach einem Vater, und er überlege, ob …
    Henry schlug zu, ohne groß auszuholen, aus der Schulter, und erwischte ihn am Jochbein. Mit einer halben Drehung landete Peter zwischen den Barhockern auf dem Gesicht und blieb liegen.
    Die Barkeeperin stand mit aufgerissenen Augen hinter der Theke. Noch bevor sie etwas sagen konnte, drehte sich Henry um und marschierte Richtung Tür.
    Im Hinausgehen sah er, dass die blonde Frau ihren Notebook zuklappte.

26.
    Drei Tage nachdem ihm der Strom abgestellt worden war, fand Henry im Briefkasten ein Schreiben der Wohnungsverwaltung, das ihm die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses mitteilte. Von einer Telefonzelle aus versuchte er, die Verwaltung zu erreichen, doch niemand nahm ab. Er ging nach oben und begann seine Sachen zu packen, einen Anzug, etwas Wäsche, das Notebook. Noch bevor er damit fertig war, klingelte ein Expressbote an der Tür. Henry quittierte die Sendung, der Umschlag kam von Bettina und enthielt die versprochenen fünfhundert Euro. Henry legte die Scheine in seinen Reisepass, steckte den Pass in die Innentasche seines Jacketts und ging noch einmal nach unten, um mit der Verwaltung zu telefonieren. Wieder nahm niemand ab.
    Zurück in der Wohnung, klingelte es erneut. Henry, der gerade hatte gehen wollen, verharrte, die Tasche in der Hand. Er hörte, dass sich die Störer unterhielten. Sie drückten wieder die Klingel, sekundenlang, dann klopften sie. Sie riefen seinen Namen, sie fragten, ob er anwesend sei, sie forderten ihn auf zu öffnen, sie seien von der Polizei. Sie sagten schließlich, dass sie jetzt gingen, aber wiederkämen.
    Auf der Ost-West-Magistrale winkte sich
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