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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust
Autoren: Philip K. Dick
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umfassenden Information, verehrte Zuschauer, noch einmal einen Überblick der langwierigen Vorbereitungsmaßnahmen geben, mit denen sichergestellt werden soll, daß ...«
    Blah-blah-blah, dachte Bonny und schaltete, indem sie zusammenschauderte, den Fernseher aus. Ich kann es nicht mitansehen, stellte sie fest.
    Aber was sollte sie andererseits sonst tun? Hier sechs Stunden lang herumsitzen und auf den Nägeln kauen – nicht nur für die nächsten sechs Stunden, sondern in der Tat sogar für die kommenden zwei Wochen? Die einzige Lösung wäre gewesen, sich nicht daran erinnert zu haben, daß heute der Tag war, an dem das erste Paar zum Mars startete. Doch jetzt war es zu spät, um sich nicht zu erinnern.
    Es gefiel ihr, so an die beiden zu denken, als an das erste Pärchen für den Mars ... das klang wie etwas aus einer sentimentalen alten Science Fiction-Story. Adam und Eva in Neuauflage; nur war Walter Dangerfield in Wahrheit alles andere als ein Adam; mit seiner lahmen, fast zynischen Art des Redens, mit der er den Reportern begegnete, seinem abseitig-morbiden Humor zeichnete er sich eher durch die Eigenschaften des letzten statt des ersten Mannes aus. Bonny bewunderte ihn; Dangerfield war kein Quatschkopf, kein junger blonder Nullachtfuffzehn-Heini mit Messerhaarschnitt, der irgend etwas über die allerneuesten Projekte der Air Force daherplapperte. Walt war ein richtiger, lebendiger Mensch, und ohne Zweifel hatte die NASA ihn aus eben diesem Grund ausgewählt. Wahrscheinlich strotzten seine Gene bis zum Überfließen von viertausend Jahren Kultur, einem eingebauten Erbe der Menschheit. Walt und Lydia würden eine Nova Terra begründen ... viele kleine blitzgescheite Dangerfields würden auf dem Mars daherschlendern und hochgeistige, aber trotzdem mit jenem amüsanten Anklang von Kalauerei, der Dangerfield zu eigen war, durchsetzte Reden führen.
    »Am besten stellt man sich den Flug zum Mars wie eine Fahrt auf einer langen Autobahn vor«, hatte er einmal während eines Interviews auf die Frage eines Journalisten erklärt, die das Risiko des Unternehmens betraf. »Eine eineinhalb Millionen Kilometer lange, zehnspurige Autobahn ... ohne Gegenverkehr, ohne langsame Laster. Stellen Sie sich vor, es wäre vier Uhr morgens ... weit und breit nur Ihr Auto und sonst gar keins. Da würde sich doch jeder Fahrer zu Recht fragen, was für Sorgen soll ich mir machen?« Und dann sein kerniges Lächeln.
    Bonny beugte sich vor und schaltete den Fernsehapparat wieder an.
    Und da erblickte sie auf dem Bildschirm das rundliche Brillenträgergesicht Walt Dangerfields; er stak bereits im Raumanzug – außer dem Helm –, und neben Walt stand stumm Lydia, während er Fragen beantwortete.
    »Ich habe erfahren«, nölte Walt mit Malmbewegungen seiner Kiefer, als kaue er eine Frage erst gut durch, ehe er sich dazu äußerte, »daß es in Boise, Idaho, eine NAD gibt, die sich echt um mich Sorgen macht.« Er blickte auf, als irgendwer im Hintergrund etwas rief. »'ne NAD?« wiederholte Walt. »Na, das ist das Kürzel, daß der bedeutende, viel zu früh von uns geschiedene Herb Caen immer für ›Nette Alte Damen‹ verwendet hat ... Es gibt immer irgendwo eine Nette Alte Dame. Wahrscheinlich gibt's auch auf dem Mars schon eine, und wir werden in derselben Straße wohnen, ihr gegenüber. Aber die in Boise sorgt sich ein wenig um Lydia und mich – jedenfalls habe ich den Eindruck –, sie befürchtet wohl, mit uns könnte was schiefgehen. Also hat sie uns 'n Glücksbringer geschickt.« Er zeigte ihn vor, hielt ihn umständlich zwischen den vom dicken Handschuh umhüllten Fingern in die Höhe. Die Reporter munkelten belustigt durcheinander. »Ist das nicht 'ne schwer nette Geste von ihr?« meinte Dangerfield. »Ich will Ihnen sagen, wofür der Talisman gut ist. Er hilft nämlich gegen Rheuma.« Die Berichterstatter lachten. »Das ist ganz nützlich für den Fall, daß wir auf dem Mars Rheuma kriegen. Oder ist er gegen Gicht? Ich glaube, es hieß in ihrem Brief, er ist gut gegen Gicht.« Er sah seine Frau an. »Gegen Gicht, nicht wahr?«
    Ich bezweifle, dachte Bonny, daß Talismane gegen Meteore oder Strahlung angefertigt werden. Sie fühlte sich kummervoll, als habe eine böse Vorahnung sie heimgesucht. Oder lag das bloß daran, daß heut der Tag war, an dem Bruno Bluthgeld seinen Termin beim Psychiater hatte? Diese Tatsache verursachte eine trübsinnige Stimmung, Gedanken an Tod, Strahlung, Fehlberechnungen und schreckliches, endloses
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