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Terra Prima

Terra Prima

Titel: Terra Prima
Autoren: Jo Zybell
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    1.
     
     … komm, tritt näher. Endlich bist du hier! Wie lange habe ich gewartet! Ich wußte, daß irgendwann einer kommen wird. All die Jahre wußte ich, daß einer kommen wird wie du.
    Ich habe eine Bitte an dich. Sie ist etwas ungewöhnlich, deswegen benötige ich einen längeren Anlauf, bevor ich sie auszusprechen wage. Du wirst sie mir abschlagen, wenn ich dich nicht zuvor überzeuge. Also, höre mir zu …
    Oder, nein, nein, besser ist, du siehst erst und hörst dann. Ja, so werden wir vorgehen! Also, komm – ich will dir etwas zeigen.
    Siehst du dort am Horizont die schwarzbraune Wand aus den Kakteen ragen? Sie sieht aus wie der Steilhang eines Gebirges, nicht wahr? Aber das ist kein Steilhang, dort oben im Norden gibt es kein Felsmassiv, und das Gebirge fängt erst weiter nördlich an – oder weiter westlich. Warte, ich vergrößere die Darstellung. So. Erkennst du es jetzt? Es ist der Südrand eines Raumschiffsfriedhofs. Nenne ihn Schrottplatz, wenn du willst.
    Er hat eine Fläche von etwas mehr als 5000 Quadratkilometern. In seinem Zentrum lag bis vor fast 2600 Jahren eine Stadt. Doch das war 1476 Jahre vor meiner Zeit. Stell dir vor, ich habe ihren Namen vergessen! Aber das ist vollkommen gleichgültig. Namen spielen keine Rolle, glaub mir, überhaupt keine Rolle.
    Jetzt gehen wir noch näher heran. Da ich Herr meiner Erinnerung bin – wenigstens Herr meiner Erinnerung! – kann ich das. Im Geist fliege ich schneller, als SIE damals geflogen sind.
    So. Schau hin. Am Rand des Schrottplatzes sind die Omegaraumer in sechs bis zehn Schichten übereinandergestapelt. Kannst du das erkennen? Im Zentrum sogar noch höher. Siehst du den Stahlgitterzaun zwischen den Mammutkakteen? Er umgibt den gesamten Raumschiffsfriedhof. 300 Kilometer Stahlgitter! Elektrisch geladen! Auf der nördlichen Hemisphäre gibt es sieben solcher Anlagen.
    Wir gehen noch näher heran. So ist es besser. Jetzt bekommst du erst einen Eindruck von der Höhe des Zaunes, nicht wahr? Achtzehn Meter. Achte auf das Brennesselfeld zwischen den Geröllhalden über dem Kaktuswäldchen rechts unten. Siehst du es? Jetzt müßtest du es im Blick haben. Und erkennst du auch die Lücke am Fuß des Zaunes? Ein Durchschlupf der ORGANER.
    SIE schicken Starkstrom durch die Zäune, SIE halten wilde Tiere entlang der Zäune, SIE setzen die Zäune zehn Meter tief in den Wüstensand und sichern sie mit mobilen Gravitonselbstschußfeldern, die jeden Monat ihren Standort wechseln – die ORGANER schneiden trotzdem Löcher in den Zaun. Ihre größten Populationen leben in den Raumschiffsfriedhöfen. Jedenfalls hier auf der nördlichen Hemisphäre.
    Und jetzt paß auf! Gleich wirst du vier ORGANER zu sehen bekommen. Da! Jenseits des Zauns, die Schatten! Bäuchlings kriechen sie unter den Rumpfwölbungen der beiden untersten Wracks durch den Sand. Sie haben keine Ahnung, daß der Späher sie längst im Visier hat, die Armen!
    Jetzt haben sie die Lücke erreicht. Jetzt schlüpfen sie nach außen. Sieh nur, wie sie nach allen Seiten sichern! Sie tragen dunkle Helme und Kappen und verschlissene Kleider. Gleich werden sie aufstehen, jetzt! Schau nur, wie sie in das Brennesselfeld hinunterrennen! Es ist längst zu spät, die Armen!
    Achte auf die erste der vier Gestalten. Sie ist etwas kleiner als die anderen drei, und sie bewegt sich geschmeidiger und flinker. Richtig – eine Frau. Nicht irgendeine Frau. Sie ist die Führerin, nicht nur der ORGANER dieses Schrottplatzes. Sie ist die Führerin aller ORGANER der nördlichen Hemisphäre. Sie ist die Frau, von der ich dir erzählen will …
     
    *
     
    Nur ein Hufeisen war die RUBICON noch, ein Hufeisen, das von Sekunde zu Sekunde rascher schrumpfte. Höher und höher stieg die WYOMING über ihrer Silhouette dem All entgegen, und je höher sie stieg, desto leichter wurde Yakubar Tellim zumute.
    Neben dem schwarzen Nigeryan stand er vor der Frontkuppel und beobachtete das kleiner werdende Schiff dort unten zwischen vereisten Bergrücken und felsigen Schluchten. Bald rückte die Taggrenze des Neptunmondes ins Sichtfeld, und die Männer konnten nach und nach auch die anderen Wohnschiffe der Südpolbiosphäre sehen. Omegaraumer, die seit Jahrhunderten da unten standen, halbkreisförmige Splitter, hingestreut auf eine Perlmuttsichel aus Licht und Eis und Fels. Schnell fielen sie unter der WYOMING zurück, wurden kleiner, wurden winzig und unterschieden sich bald nicht mehr von den dunkelblauen, schwärzlichen und
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