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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust
Autoren: Philip K. Dick
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Leid.
    Ich kann nicht glauben, daß Bruno wahrhaftig paranoid und ein Schizo geworden ist, sagte sie sich. Es liegt nur eine zeitweilige Beeinträchtigung vor, und mit der angebrachten psychiatrischen Behandlung – und zusätzlich dann und wann ein paar Pillen – wird er wieder in Ordnung kommen. Es handelt sich nur um eine endokrine Störung, die sich psychosomatisch niederschlägt, gegen so etwas kann man in der heutigen Zeit doch Wunder tun; er hat keinen charakterlichen Defekt, lediglich einen psychotischen Zustand, der durch Stress zur Entfaltung gelangt ist.
    Aber was verstehe ich schon davon, dachte sie trübselig. Es mußte praktisch erst soweit mit Bruno kommen, daß er hier saß und uns erzählte, »sie« täten sein Trinkwasser vergiften, bevor George und ich begriffen, wie krank er war ... eigentlich wirkte er immer nur niedergeschlagen.
    Sie konnte sich vorstellen, wie Bruno ein Rezept für irgendeine Pille erhielt, die die Großhirnrinde stimulierte oder das Zwischenhirn ruhigstellte; so oder so mußte ein modernes westliches Äquivalent zeitgenössischer chinesischer Kräutermedizin zum Zuge kommen, um den Stoffwechsel von Brunos Hirn zu verändern, die Wahnideen wegzufegen, als seien sie nur Spinnweben. Und dann würde alles wieder gut sein; sie und George und Bruno konnten wieder in West Marin zu ihrem Barockmusik-Klübchen zusammentreten und an den Abenden Bach und Händel spielen ... genau wie in alten Zeiten. Zwei Rekorder in echtem Holz aus dem Schwarzwald, dazu sie selbst am Klavier. Das Haus voller Barockklänge und dem Duft von selbstgebackenem Brot, eine Flasche Buena Vista aus der ältesten Weinkellerei Kaliforniens ...
    Auf dem Fernsehschirm klopfte Walt Dangerfield in seiner jungenhaft-altklugen Art und Weise Sprüche und erinnerte dabei an jemanden, der in seiner Person Voltaire und Buck Rogers miteinander vereinte. »Aber sicher«, sagte er zu einer Reporterin, die einen komischen großen Hut trug. »Wir rechnen damit, auf dem Mars eine ganze Menge fremdartiger Lebensformen zu entdecken.« Und er schielte ihren Hut an, als wollte er sagen: Ich glaube, da ist schon eine. Die Journalisten hatten etwas zum Lachen. »Ich glaube, ich habe eine Bewegung bemerkt«, sagte Dangerfield zu seiner völlig gelassenen Frau, die kühl-überlegen dreinschaute, und zeigte auf den Hut. »Schatz, 's kommt auf uns zu!«
    Er liebt sie wirklich, erkannte Bonny, während sie die beiden beobachtete. Ich frage mich, ob George je so für mich empfunden hat, wie offenbar Walt Dangerfield für seine Frau empfindet. Wenn ich ehrlich mit mir bin, muß ich daran zweifeln. Andernfalls hätte er nie zugelassen, daß ich mich aus therapeutischen Gründen den beiden Abtreibungen unterziehe. Daraufhin war ihr noch trauriger zumute, und sie stand auf und entfernte sich vom TV-Apparat, ihm den Rücken zugewandt.
    Man sollte George zum Mars schicken, dachte sie bitter. Oder noch besser wäre es, uns alle zusammen zu schicken, George und mich und die Dangerfields. George könnte ein Verhältnis mit Lydia Dangerfield haben – falls er dazu imstande ist –, und ich könnte mit Walt ins Bett gehen; bestimmt wäre ich in diesem großen Abenteuer auch eine ausreichend geeignete Partnerin. Warum denn auch nicht?
    Ich wünschte, irgend etwas würde geschehen, sagte sie still. Ich wollte, Bruno käme, um zu berichten, daß Dr. Stockstill ihn geheilt hat, oder ich wollte, Dangerfield würde plötzlich in letzter Minute einen Rückzieher machen und die Brocken hinschmeißen, oder daß die Chinesen den Dritten Weltkrieg anzetteln oder George in der Schule wirklich den lausigen Vertrag, den sie ihm angedreht haben, in Fetzen auf den Tisch knallt, wie er es schon seit langem verspricht. Irgend etwas. Vielleicht sollte ich meine Töpferscheibe herausholen, dachte sie, und ein bißchen töpfern, mich wieder mal der sogenannten Kreativität der Analphase widmen, oder wie man es sonst nennen mag. Ich könnte einen geilen Topf machen. Ihn formen, in einem Muster aus violetten Pflaumen brennen und drunten in San Anselmo bei der IG Creative Art verkaufen, wo die vornehmen Damen aus höheren Kreisen im vergangenen Jahr meinen Modeschmuck abgelehnt haben. Ich weiß, daß sie einen geilen Topf nehmen würden, wäre es ein schöner geiler Topf.

    Im Rundfunk- und Fernsehgeschäft TV modern hatte sich in den Verkaufsräumlichkeiten eine kleine Ansammlung von Neugierigen gebildet, um den großen Stereo-Farbfernsehap parat anzustarren und die
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