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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust
Autoren: Philip K. Dick
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ihre Liebe zur Musik, zur Kunst ... sie verdankte Bluthgeld viel und war ihm dankbar.
    Nun jedoch war Bluthgeld, wie so gut wie jeder in Livermore wußte, ein kranker Mann. Er besaß ein empfindsames Gewissen, und seit ihm 1972 jener schwere Irrtum unterlief, hatte er nie darunter zu leiden aufgehört – obwohl der Irrtum, wie ebenfalls jeder in Livermore wußte, nicht auf seinem persönlichen Verschulden beruhte; es ergab sich daraus keine zwangsläufige persönliche Belastung seines Gewissens, und doch hatte er entschieden, daraus seine persönliche Bürde zu machen, und infolge dessen war er krank geworden, so sehr, daß seine Krankheit sich mit jedem Jahr noch verschlimmerte.
    Zahlreiche gutausgebildete Leute, die besten Apparaturen, die modernsten Computer der damaligen Zeit hatten an den fehlerhaften Berechnungen mitgewirkt – fehlerhaft nicht in bezug auf die Gesamtheit des im Jahre 1972 vorhanden gewesenen Wissens, sondern fehlerhaft bezüglich der real eingetretenen Sachlage. Die gewaltigen Ballungen radioaktiver Wolken hatten sich nicht verflüchtigt, sondern waren vom Schwerkraftfeld der Erde angezogen worden und dadurch in die Atmosphäre zurückgekehrt; davon war niemand stärker überrascht worden als das Team in Livermore. Heute besaß man freilich ein gründlicheres Verständnis der Jamison-FrenchSchicht; selbst populäre Zeitschriften wie die T ime und US News konnten heutzutage klipp und klar erklären, was damals schiefgegangen war und warum. Doch mittlerweile waren auch neun Jahre verstrichen.
    Der Gedanke an die Jamison-French-Schicht erinnerte Bonny an das heutige große Ereignis, das sie nun zu versäumen drohte. Unverzüglich ging sie ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher an. Ob sie schon gestartet sind? fragte sie sich und schaute auf die Armbanduhr. Nein, es blieb noch eine halbe Stunde. Die Mattscheibe leuchtete auf, und man konnte, wie fast zu erwarten gewesen war, die Rakete und ihr Startgerüst sehen, das Wartungspersonal, Fahrzeuge und technisches Gerät; das Raumschiff stand noch fest auf dem Erdboden, und wahrscheinlich befanden Walter Dangerfield und Mrs. Dangerfield sich noch nicht einmal an Bord.
    Das erste Pärchen Siedler für den Mars, dachte sie in einer Anwandlung von Schalkhaftigkeit und fragte sich, wie Lydia Dangerfield in dieser Stunde wohl zumute sein mochte ... dieser hochaufgeschossenen Blonden, die genau wußte, daß die Chance, den Mars zu erreichen, den Berechnungen zufolge nur rund 60% betrug. Eine umfangreiche Ausrüstung, großzügige Behausungen und Anlagen erwarteten das Paar, aber was hatte es davon, wenn es unterwegs verglühte? Doch immerhin würde dieser Raumflug beim Sowjetblock Eindruck machen, dem es mißlungen war, seine Mondstation in Betrieb zu halten; die Russen mußten ganz gemächlich erstickt oder verhungert sein, niemand wußte näher darüber Bescheid. Auf jeden Fall bestand die Kolonie nicht mehr. Sie war auf so geheimnisvolle Weise aus der Weltgeschichte verschwunden, wie sie zuvor hineingelangte.
    Bonny fand die Idee der NASA, lediglich ein Paar zu schikken, nur einen Mann und seine Frau, statt einer Gruppe, richtiggehend entsetzlich; ihr instinktives Fühlen gab ihr die Überzeugung ein, daß man, indem man keine maximalen Erfolgsaussichten gewährleistete, ein Scheitern geradezu heraufbeschwor. Es sollten mehrere Leute sein, ein paar aus New York, einige aus Kalifornien, dachte sie, während sie auf dem Fernsehschirm mitverfolgte, wie die Techniker die Rakete ein letztes Mal checkten. Wie nannten sie das bei der NASA? Alles auf eine Karte setzen? Jedenfalls sollte nach Bonnys Meinung nicht wieder einmal alles von dieser einen Rakete abhängen. Nichtsdestotrotz, so hatte die NASA es stets gehalten: von Anfang an immer nur ein Astronaut nach dem anderen, aber mit viel Rummel für die Öffentlichkeit. Als 1967 Henry Chancellor in seiner Raumstation zu Partikelchen verbrannte, hatte die ganze Welt es im Fernsehen mitanschauen können – mit allem angemessenen Kummer, wie sich von selbst verstand, aber nichtsdestoweniger, sie hatten allesamt zuschauen dürfen. Und die Reaktion der Allgemeinheit hatte den Westen in der Erforschung des Weltraums um fünf Jahre zurückgeworfen.
    »Wie Sie sehen können«, sagte der NBC-Kommentator mit gedämpfter, aber eindringlicher Stimme, »werden nunmehr die letzten Vorbereitungen abgeschlossen. Mit dem Eintreffen von Mr. und Mrs. Dangerfield wird jeden Augenblick gerechnet. Bis dahin wollen wir zu Ihrer
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