Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Monströse Welten 2: Hobbs Land

Monströse Welten 2: Hobbs Land

Titel: Monströse Welten 2: Hobbs Land
Autoren: Sheri S. Tepper
Vom Netzwerk:
 
1
    •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••
     
     
    Der Name des Gottes war Bondru Dharm, was nach Aussage der Linguisten, die mit den Owlbrit gearbeitet hatten, bis auch der letzte von ihnen gestorben war, etwas mit Mittag zu tun hatte. Die gängigste Variante lautete Enthüllter Mittag, obwohl auch Gefundener Mittag und Angekündigter Mittag im Gespräch waren. Nur ein paar Owlbrit waren noch am Leben gewesen, als Hobbs Land von Hobbs Transystem Foods in Besitz genommen wurde. Bald darauf waren fast alle gestorben, so daß die Wissenschaftler kaum noch Gelegenheit gehabt hatten, ihre Sprache zu erforschen.
    Auch wenn die Siedler auf Hobbs Land nur ein paar Brocken der Owlbrit-Sprache beherrschten, unterhielten sie sich doch gern in diesem Idiom und nannten den Gott bei seinem ursprünglichen Namen, Bondru Dharm; ganz Verwegene indes bezeichneten ihn auch als Old Bondy. Er residierte in dem Tempel, den die Owlbrit eigens für ihn errichtet hatten, einem kleinen Rundhaus, das von den Bewohnern der Siedlung Eins gemäß den einschlägigen Denkmalschutzbestimmungen instand gehalten wurde.
    Niemand erinnerte sich an den genauen Zeitpunkt, an dem die Siedler dem Gott zum erstenmal Opfergaben dargeboten hatten. Manche sagten, der Ritus sei gleich nach dem Tod des letzten Owlbrit eingeführt worden, obwohl dieses Ritual in den ersten zwei Jahren des Bestehens der Siedlung Eins nicht in den Logbüchern erwähnt wurde. Die erste Eintragung datierte aus dem Jahre Drei. Fest stand nur, daß dieses Opfer von den Owlbrit selbst empfohlen worden war.
    Seit der ersten Begegnung mit den Owlbrit hatten die Siedler jedes Wort der Erloschenen im Digifax abgespeichert. Die Kommunikation mit dem letzten Owlbrit hatte sich indes ziemlich schwierig gestaltet; wenn er sich jedoch verständlich artikuliert hatte, hatte er immer auf das Opfer Bezug genommen.
    »Ist das notwendig?« hatten die Linguisten gefragt, nachdem der Translator ihnen die Bedeutung des ausgangssprachlichen Wortes erschlossen hatte. Die Frage war an den letzten überlebenden Owlbrit gerichtet, der in einem winzigen Rundhaus in der Nähe des Tempels lebte.
    »Nicht notwendig«, hatte der Alte erwidert, indem er seine hornbesetzten Tentakel aneinanderrieb, was sich wie ein heiseres Flüstern anhörte. »Was ist überhaupt notwendig? Ist das Leben notwendig? Zu welchem Zweck? Nein, das Opfer ist nicht notwendig. Es wird nur empfohlen. Es ist ein alter Brauch, ein Entgegenkommen.«
    Der Owlbrit hatte etwa dreißig Sekunden gebraucht, um die entsprechende, sägende Lautfolge zu produzieren, aber die Xenolinguisten brauchten dann dreißig Jahre für die Decodierung. Die Interpretation der Begriffe ›Brauch‹ und ›Entgegenkommen‹ war noch immer nicht abgeschlossen, wobei die Wiederaufbau-Schule den Standpunkt vertrat, daß das leise Raspeln der Tentakel des Alten wirklich für die Begriffe ›System‹, ›Lebensstil‹ und ›Trost‹ stand. Was auch immer es im Endeffekt bedeutete, der Brauch, jeden Monat ein paar mausähnliche ferf zu opfern, war erst im dritten Jahr der Siedlung aufgekommen und seither ununterbrochen gepflegt worden. Und das Ritual wurde immer komplexer, je mehr Einzelheiten Diejenigen Welche preisgaben. Im Grunde handelte es sich nur noch um Denjenigen Welche, denn Vonce Djbouty war im letzten Jahr verschieden. Der einzig verbleibende Derjenige Welche hieß Birribat Shum.
    Ein Birribat, der sich in letzter Zeit außergewöhnlich oft hatte blicken lassen und der zudem noch reichlich aufdringlich gewesen war.
    »Ich sage dir, Bondru Dharm liegt im Sterben«, informierte er händeringend Samasnier Girat, den Topman, wobei er Arme und Beine derart grotesk abspreizte, daß er an einen Vogel erinnerte. »Sam, er stirbt!« Der Junge Birrat (der indes gar kein Junge mehr war, sondern nur gewohnheitsmäßig noch so genannt wurde) hatte den Tod des Gottes schon seit geraumer Zeit angekündigt, wenn auch nicht mit einer solchen Dringlichkeit.
    Samasnier Girat schaute vom Erntebericht auf, der bereits ein paar Tage alt war. Es handelte sich um eine Ersatzteilbestellung für landwirtschaftliche Maschinen, die am nächsten Tag an die Zentralverwaltung ausgeliefert werden mußte. Affektiert zog Girat eine Augenbraue hoch und sagte: »Gib ihm ein paar ferfs.«
    Birribat machte eine Geste. Die schwungvolle Bewegung der linken Hand und die zupackende der rechten war nicht auf Sam
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher