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Monströse Welten 2: Hobbs Land

Monströse Welten 2: Hobbs Land

Titel: Monströse Welten 2: Hobbs Land
Autoren: Sheri S. Tepper
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gemünzt, sondern vermittelte eher den Anschein, als ob Birribat eine imaginäre Leine schnappte. Dennoch mußte diese Geste eine bestimmte Bedeutung für Birribat haben, denn schließlich faltete er die Hände wie zum Gebet und schluckte unbehaglich, als er sagte: »Bitte, Sam, sei doch nicht so pietätlos. Bitte. Das macht es nur noch schwerer für mich.«
    Sam setzte ein Grinsen auf, wobei er die kräftigen weißen Zähne bleckte. Er stand kurz davor, die Geduld zu verlieren. »Birribat, wende dich an Sal. Erzähl Sal, was du auf dem Herzen hast. Ich werde mich heute abend mit Sal darüber unterhalten.« Oder nächste Woche oder nächstes Jahr. Der Gott hockte schon seit der Landnahme im Tempel, nunmehr seit über dreißig Jahren, ohne daß er das geringste Anzeichen irgendwelcher Aktivitäten gezeigt hätte. Sam Girat wußte das aus eigener Anschauung; er hielt sich nämlich selbst im Tempel auf, meistens nächtens und aus sehr privaten Gründen. Allerdings glaubte er nicht daran, daß der Gott wirklich ›lebte‹, und daher tangierte die Vorstellung, daß er ›im Sterben lag‹, ihn auch nicht sonderlich. Dennoch mußte er in seiner Eigenschaft als Topman der Möglichkeit Rechnung tragen, daß Birribat mit seiner Geschichte einen Aufruhr unter den Gläubigen verursachte, von denen es mehr als genug in der Siedlung gab – und darüber hinaus in allen elf Siedlungen.
    Birribat trollte sich, und kurz darauf sah Sam seine eckige Gestalt auf der Straße in Richtung Freizeitzentrum schlurfen. Als Sam erneut vom Terminal aufschaute, stellte er fest, daß Birribat und Sal nun in die entgegengesetzte Richtung gingen, zum Tempel.
    Saluniel Girat, Sams Schwester, die eine Dauerstellung als Animateurin im Freizeitpark innehatte, war sowohl von sanfterem Wesen als auch geduldiger als ihr Bruder. Außerdem mochte sie Birribat. In ihren Augen war der knochige Pietist ein interessanter Exzentriker, und als er ihr sagte, daß der Gott im Sterben lag, machte sie das so betroffen, daß sie selbst nach ihm sehen wollte. Wie Birribat blieb sie am Tempeltor stehen und goß sich Wasser über die Hände. Dann bückte sie sich, zog sich die Schuhe aus und kniete sich schließlich vor der schmalen Gittertür in der Ringmauer hin, um einen Schleier aus dem Regal zu nehmen und sich damit zu verhüllen. Sie ging zwar nur sporadisch in den Tempel, hatte aber schon so oft an den Opferzeremonien teilgenommen, daß sie wußte, was sich für einen Besucher der Zentralkammer schickte. Der Raum erinnerte an einen Schornstein, mit einem Durchmesser von ungefähr zwölf Fuß und einer Höhe von über dreißig. Auf einem Steinsockel in der Mitte des Raums stand der Gott, eine knapp mannshohe, zwiebelförmige Gestalt aus einer undefinierbaren Substanz. In unregelmäßigen Abständen spielten Lichtreflexe über seine Oberfläche.
    »Was sagt es?« flüsterte Sal.
    »Daß es stirbt«, erwiderte Birribat halblaut, wobei ein schmerzlicher Unterton in seiner Stimme mitschwang.
    Sal setzte sich auf einen der Steinsitze am Gitter und betrachtete den Gott, auf dessen Oberfläche ein Lichterreigen tanzte. Als sie zuletzt hier gewesen war, war dieses Funkeln rhythmisch gewesen, wie ein schlagendes Herz; die Lichter waren am runden Unterteil erschienen, langsam nach oben gewandert und schließlich erloschen. Wenig später hatte das Spiel sich dann wiederholt. Nun waren es nur noch vereinzelte Reflexe, helle, ausfasernde Lichtpunkte, die fast sehnsüchtig in die Dunkelheit auszugreifen schienen.
    »Es stirbt?« fragte sie. »Steht davon etwas in den Aufzeichnungen?«
    Birribat nickte, ohne den Blick vom Gott abzuwenden. »Die Owlbrit haben den Linguisten erzählt, daß Bondru Dharm der letzte der Götter sei und daß es noch weitere gegeben hätte. Glaube ich zumindest.«
    Sal beschloß, sich in den Archiven kundig zu machen. Wenig später verließ sie Birribat und überließ ihm die Anbetung der Gottheit. Sie ging durch die Gittertür, legte den Schleier zurück, schlüpfte wieder in die Schuhe und ging die leere Straße hinunter zum Büro ihres Bruders, das sie indes genauso verlassen vorfand. Um diese Tageszeit waren alle Dorfbewohner – mit Ausnahme der Schulkinder, der Kinder im Kinderhort und einiger Spezialisten wie Sal – draußen auf den Feldern. Sam war vermutlich auch dort draußen und betätigte sich als Aufseher. Also war das Gebäude der Logistik-Verwaltung verwaist, was ihr sehr gelegen kam. Saluniel konnte jetzt keine Störung
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