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Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall

Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall

Titel: Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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    Freitag, 18. April
     
    Der ICE ›Rheingold‹ verließ fahrplanmäßig um 1 Uhr 53 den Kaiserslauterer Hauptbahnhof.
     
    Mit hohem Tempo raste er durch die tiefschwarze Frühlingsnacht.
    Lautes Pfeifen zerschnitt die friedliche Stille, gefolgt vom wütenden Protest aufgeschreckter Waldvögel.
    Leuchtstarke Scheinwerfer brannten kegelförmige Löcher in die mondlose Finsternis.
    Nach einer lang gezogenen Linkskurve tauchte der Heiligenberg auf.
    Kurz vor dem mit verwittertem Bruchsandstein umrahmten Tunneleingang geschah das Unfassbare.
    Reflexartig betätigte der Zugführer das Schnellbremsventil.
    Schrill aufkreischende Bremsen, die in der engen Röhre ohrenbetäubenden Lärm erzeugten.
    Hysterische Menschenschreie.
    Die beiden Zugbegleiter eilten in den Führerstand, fragten nach dem Grund der Notbremsung.
    Aber sie erhielten keine Antwort.
    Er stand unter Schock.
    Regungslos starrte er auf die hell erleuchtete Gleisanlage.
    Sein Gesicht war aschfahl.
    Dicke Tränen quollen aus seinen geröteten Augen.
     
     
    Als Hauptkommissar Tannenberg etwa eine halbe Stunde später das triste Bahnhofsgebäude in Hochspeyer betrat, stürmte sofort ein hünenhafter jüngerer Mann auf ihn zu, baute sich drohend vor ihm auf und begann, gestenreich auf ihn einzureden.
    „Haben Sie das angeordnet?“
    „Was?“
    „Die Vollsperrung! Sie können doch hier keine Vollsperrung veranlassen! Das ist doch ein enormer wirtschaftlicher Schaden, den Sie uns verursachen. Sie sind wohl wahnsinnig geworden!“
    Vielleicht hing es an dem ausgeprägten Dämmerzustand, mit der sich sein rebellischer Biorhythmus gegen den brutalen Eingriff in den tradierten tannenbergschen Schlafzyklus zur Wehr setzte. Vielleicht waren es aber auch die Spätfolgen des bis kurz vor Mitternacht gemeinsam mit Bruder Heiner und Dr. Schönthaler zelebrierten feuchtfröhlichen Skatabends. Jedenfalls reagierte der Kriminalbeamte entgegen sonstiger Gewohnheit völlig ruhig und gelassen auf die aggressiven Anfeindungen des Bundesbahn-Mitarbeiters – zumindest äußerlich.
    „Herr Kollege, kommen Sie mal her“, rief er in Richtung eines Streifenbeamten, der gerade mit der Befragung mehrerer Zugpassagiere beschäftigt war. Aber darauf nahm Tannenberg keinerlei Rücksicht. „Sorgen Sie mal dafür, dass dieser überaus sympathische Zeitgenosse hier nicht weiter die kriminalpolizeilichen Ermittlungen stört.“
    „Und wie soll ich das machen?“, gab der Uniformierte übellaunig zurück.
    „Na, dann lassen Sie sich doch einfach mal etwas einfallen“, antwortete der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission gähnend, wandte sich zu seinem Mitarbeiter Adalbert, genannt ›Albert‹, Fouquet um und forderte diesen dazu auf, ihm nach draußen ins Freie zu folgen.
    Die kalte Nachtluft, die ihn vor der Bahnhofstür erwartete, wirkte belebend. Mit einem tiefen Zug sog er die frische Kühle ein, blähte dabei seinen Brustkorb auf und reckte die eingerosteten Glieder seines verschlafenen Körpers. Dann entließ er mit einem kräftigen Stoß die eingesperrte Atemluft wieder in die Freiheit.
    „So, Albert, und jetzt sagst du mir zuerst einmal, warum du mich überhaupt um diese unchristliche Zeit aus dem Bett geholt hast. Ich kann nur hoffen, dass du dafür gute Gründe vorzubringen hast. Schließlich gibt’s für solche Fälle den Bereitschaftsdienst. Und der ist ja meines Wissens heute Nacht von deiner Wenigkeit zu gewährleisten. Oder lieg ich da etwa grundlegend falsch?“
    „Nein … Aber …“
    „Aber was?“, fiel Tannenberg seinem jungen Mitarbeiter ziemlich unsanft ins Wort. „Die Sache ist doch wohl sonnenklar. Das haben sogar die Kollegen von der Streife erkannt, die mich zu Hause abgeholt haben. Da hat wohl irgend so ein armer Irrer nichts Besseres zu tun gehabt, als sich mitten in der Nacht vor einen Zug zu werfen. Das ist doch nichts Besonderes, nur ein ganz normaler Selbstmord! Das kannst du doch wohl alleine machen, oder? Mensch, Albert!“
    „Aber, aber Wolf, der Zugführer hat doch was von zwei Männern erzählt.“
    „Zwei Männer? Was hat er gefaselt? Den kannst du doch nicht für voll nehmen, der steht doch unter Schock!“
    „Ich hab halt gedacht, dass du ihn vielleicht mal befragen könntest. Weil ich außer diesen beiden Wörtern nichts aus ihm rausgekriegt hab. Vielleicht ist ja auch was Wahres dran an der Geschichte.“
    „Also, gut. Wenn ich jetzt schon mal hier bin, kann ich dir ja auch gleich mal zeigen, wie man aus einem Menschen, der
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