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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust
Autoren: Philip K. Dick
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Lightheiser. »Immerhin war das schon neunzehnhundertsiebenundvierzig, und er hat's im Rahmen des staatlichen Wiedereingliederungsprogramms für entlassene Soldaten gemacht.
    Unter ihrem Fenster rollte ein Karren zum Haupteingang des TV modern; in der Mitte des Gefährts saß vor einem Steuerpult eine schlanke Gestalt. Stuart stöhnte auf, und Lightheiser sah ihn an.
    »Der Knabe ist 'ne Landplage«, sagte Stuart.
    »Das wird aufhören, wenn er erst richtig bei der Arbeit ist«, sagte Lightheiser. »Der Junge besteht so gut wie ganz aus Gehirn, sein Körper spielt fast keine Rolle. Sein Verstand taugt echt schwer was, und er hat auch seinen Ehrgeiz. Gottchen, er ist erst siebzehn, und was er will, ist Arbeit, er möchte die Schule hinter sich bringen und endlich mit ernsthafter Arbeit anfangen. Das ist doch bewundernswert.«
    Die beiden beobachteten Hoppy auf seinem Fahrzeug; er fuhr zur Treppe, die zur Reparaturabteilung hinunterführte.
    »Wissen die Burschen unten Bescheid?« erkundigte sich Stuart.
    »Ja, sicher, Jim hat's ihnen gestern abend angekündigt. Sie nehmen's philosophisch hin. Du weißt, wie Fernsehtechniker sind – sie meckern, aber das heißt nichts, sie meckern sowieso ständig.«
    Hoppy hörte die Stimme des Verkäufers und hob ruckartig den Blick, wandte sein hageres, freudloses Gesicht aufwärts, dessen Augen glommen. »He«, wollte er unter Gestammel erfahren, »ist Mr. Fergesson gerade da?«
    »Nee«, antwortete Stuart.
    »Mr. Fergesson hat mich eingestellt«, sagte der Phoko.
    »Ja, wissen wir«, entgegnete Stuart. Weder er noch Lightheiser rührte sich; beide blieben sie am Schreibtisch sitzen und schauten zu dem Phoko hinab.
    »Kann ich nach unten?« fragte Hoppy nach.
    Lightheiser hob die Schultern.
    »Ich gehe jetzt erst mal 'ne Tasse Kaffee trinken«, sagte Stuart und stand auf. »In zehn Minuten bin ich wieder da. Halt für mich die Stellung, ja?«
    »Klar«, sagte Lightheiser und nickte, zog an seiner Zigarre.
    Als Stuart den Verkaufsraum betrat, befand sich der Phoko noch dort; er hatte den schwierigen Hinabweg in den Keller noch nicht begonnen. »Spirit von zwoundsiebzig«, sagte Stuart, als er an dem Karren vorüberging, als handle es sich um einen Rennwagen.
    Der Phoko errötete. »Ich bin neunzehnhundertvierundsechzig geboren«, stotterte er. »Das hatte mit dem Atomtest nichts zu tun.« Stuart verließ den Laden und trat auf den Gehweg. »Es hat an dem Medikament gelegen, diesem Thalidomid«, rief der Phoko ihm verstört nach. »Das weiß doch jeder.«
    Stuart schwieg und machte sich auf den Weg zur Kaffeestube.

    Für den Phokomelus war es ein Problem, sich mit seinem Karren umständlich die Treppe zum Keller hinunterzubefördern, in dem die Fernsehtechniker an ihren Werkbänken arbeiteten, aber nach einiger Zeit gelang es ihm, indem er sich am Geländer mittels der künstlichen Greifarme hinabhangelte, die ihm die US-Regierung wohlwollend zur Verfügung gestellt hatte. Die Greifarme taugten wirklich nicht sonderlich viel; sie waren schon vor etlichen Jahren angepaßt worden und nicht nur teilweise abgenutzt, sondern auch – wie er aus der aktuellen Fachliteratur wußte – schlichtweg überholt. Theoretisch war die Regierung dazu verpflichtet, ihn mit neueren Modellen zu versorgen; das Remington-Gesetz schrieb das so vor, und er hatte deswegen auch schon dem dienstältesten Senator Kaliforniens geschrieben, Alf M. Partland. Bis jetzt war jedoch noch keine Antwort eingetroffen. Aber Hoppy hatte Geduld. Er hatte bereits viele Male und zu den verschiedenartigsten Themen an Mitglieder des US-Kongresses geschrieben, und häufig kamen dummfreche oder lediglich vorgedruckte Antworten, und manchmal erhielt er überhaupt kein Antwortschreiben.
    In diesem Fall stand jedoch das Gesetz auf Hoppy Harringtons Seite, und es konnte nur eine Frage der Zeit sein, bis er jemanden in irgendeinem Amt dazu brachte, ihm zu bewilligen, auf was er ein Recht besaß. In dieser Sache fühlte er sich grimmig-entschlossen; er war geduldig, aber gleichzeitig grimmig-entschlossen. Sie mußten ihm helfen, ob sie es woll ten oder nicht. Sein Vater, ein Schafzüchter im Sonoma Valley, hatte es ihn so gelehrt: daß es zu fordern und einzutreiben galt, was einem zustand.
    Klänge schwirrten durcheinander. Die Fernsehtechniker befanden sich längst an der Arbeit. Hoppy bremste, öffnete die Tür und musterte die zwei Männer an der langen, mit allerlei Gegenständen übersäten Werkbank mit all den Instrumenten
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