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Merani und die Schlange unter dem Meer

Merani und die Schlange unter dem Meer

Titel: Merani und die Schlange unter dem Meer
Autoren: Carl Hanser Verlag
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    Merani fuhr aus dem Schlaf hoch und spürte den Hilfeschrei ihrer Mutter in ihrem Kopf widerhallen.
    »Merani! Bitte komm! Alleine schaffe ich es nicht!« Das war der magisch gesandte Ruf ihres Vaters, der ebenfalls verzweifelt klang.
    Einen Augenblick saß Merani wie erstarrt auf ihrem Bett. Ihre Eltern waren doch so mächtig! Wie konnte es da etwas geben, mit dem sie nicht fertig wurden? Irgendetwas lief schief.
    Mit einem Satz war Merani aus dem Bett, riss ihren Morgenmantel an sich und rannte zur Tür. Draußen waren sämtliche Leuchtsteine in den Wänden erloschen, und es herrschte undurchdringliche Schwärze. Merani benötigte zwar kein Licht, denn sie vermochte den Weg mit ihren magischen Sinnen zu finden. Als sie jedoch die Levitationsplatte erreichte, mit der man sich sonst über Stockwerke bewegen konnte, und dieser befahl, nach unten zu fahren, rührte sich das Ding nicht von der Stelle.
    »Merani!«
    Auf den erneuten Ruf des Vaters hin verließ Merani den nutzlosen Levitationsschacht und rannte den Gang entlang. Die Sekunden schienen sich zu Stunden zu dehnen, obwohl sie die Treppenstufen zwischen den Stockwerken so schnell hinabsauste wie noch nie zuvor in ihrem Leben.
    In der Thronhalle der Felsenfestung waren die Leuchtsteine ebenfalls ausgefallen. Ein normaler Gurrländer oder Mensch hätte die Hand vor Augen nicht gesehen, aber Merani nahm dieUmgebung so deutlich wahr, als sei sie in gleißendes Licht getaucht.
    Der Feuerthron, der sonst von schwarzmagischen Flammen umspielt wurde, wirkte nun stumpf und grau. Ihr Vater hockte so verkrümmt auf ihm, als hätte er schreckliche Schmerzen. Er versuchte verzweifelt, die Kräfte zu beherrschen, die um ihn herum tobten, während ihre Mutter bewusstlos auf dem Boden lag und aus Augen, Mund und Nase blutete.
    »Papa! Was ist passiert?«, schrie Merani.
    »Komm hoch und hilf mir! Der Thron …« Das Gesicht des Magierkaisers verzerrte sich unter einer weiteren Schmerzwelle.
    Gelegentlich hatten die Eltern Merani erlaubt, sich zu ihnen auf den Feuerthron zu setzen, damit sie die ungeheure Macht kennenlernen konnte, die dem Artefakt innewohnte. Bis zu diesem Tag aber hatten ihre Mutter und ihr Vater den Thron in jeder Situation beherrscht. Daher begriff Merani nicht so recht, dass die beiden die Gewalt darüber verloren hatten, und so lief sie erst mal auf ihre verletzte Mutter zu, um ihr zu helfen.
    In dem Moment stürzte ihre Lehrerin, die Hexe Yanga, durch einen anderen Eingang in die große Halle. »Du musst dich mit auf den Thron setzen, Kind!«
    Merani zögerte. »Ist es nicht besser, wenn du Papa hilfst? Ich bin doch nicht dafür ausgebildet.«
    In diesem Moment bemerkte Merani einen kräftigen Strom grünfarbiger Magie, der von draußen auf den Thron zufloss und von diesem wie eine giftige Wolke ausgestoßen wurde. Nun verstand sie, was geschehen sein musste: Die feindliche grüne Magie hatte ihre Mutter verletzt, denn ihre eigene magische Farbe war Blau. Zum Glück lebte sie noch, aber wenn die frischen grünen Schwaden sie in ihrem geschwächten Zustand trafen, konnte es ihr Ende sein.
    Als Merani dies klar wurde, rannte sie die Stufen zum Thron hoch und setzte sich neben ihren Vater. Mit ihrer Rechten fasste sie nach der Lehne des Throns, mit der Linken nach der Hand ihresVaters Girdhan. Im selben Moment wurde sie von den Kräften, die auf sie einströmten, schier hinweggefegt.
    »Du musst dich konzentrieren, Kind!«, vernahm sie Yangas magischen Aufschrei.
    Das war leichter gesagt als getan, denn die grüne Magie zerrte so heftig an Merani, als wolle sie sie in Stücke reißen. Dabei war ihre eigene magische Farbe nicht das Blau der Mutter, sondern das girdanische Schwarz ihres Vaters.
    Mühsam gelang es ihr, sich trotz der tobenden Magien zu orientieren und weit über die Insel hinaus auf das Meer zu blicken. Dort nahm sie einen gewaltigen magischen Sturm wahr, der mit einer Geschwindigkeit, die kein galoppierendes Ross erreichen konnte, nach Nordwesten zog. Wie alle Unwetter war er am Geburtsort der magischen Stürme entstanden, hatte sich aber zu dem gewaltigsten Orkan der letzten Jahrzehnte ausgewachsen. Vor allem aber war er mit grüner Magie aufgeladen und raste genau auf die blaue Insel Ilyndhir zu.
    Als Merani sich die Verheerungen vorstellte, die dieser Sturm dort anrichten würde, krampfte sich ihr Magen zusammen. Ihre Mutter liebte ihre Heimatinsel und hatte wohl versucht, den grünen Sturm in eine andere Bahn zu lenken.
    »Du musst
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