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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust
Autoren: Philip K. Dick
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Übertragung vom Start der Dangerfields zu sehen, die alle Amerikaner überall erreichen sollte, zu Hause ebenso wie an ihren Arbeitsplätzen. Hinter dem Haufen der Zuschauer stand mit übereinandergeschlagenen Armen Stuart McConchie und verfolgte die Sendung ebenfalls.
    »John L. Lewis, der berühmte einstige Führer der amerikanischen Bergarbeitergewerkschaft, wüßte in diesem Moment die Bedeutung des Arbeitslohnes, der für die Zeit vom Betreten der Arbeitsstelle bis zu ihrem Verlassen gezahlt wird, erst richtig einzuschätzen«, sagte Walt Dangerfield auf seine trokken-humorige Art. »Ohne ihn würde man heute wahrscheinlich versuchen, mich für diesen Flug mit einem Heiamann abzuspeisen, mit der Begründung, daß meine Arbeit ja erst anfängt, wenn ich den Mars betrete.« Seine Miene zeugte, inzwischen von einer gewissen Ernüchterung; es war nun fast an der Zeit für ihn und Lydia, das Innere des Raumschiffs aufzusuchen. »Beachten Sie folgendes ... falls irgend was geschieht, wir verschollen bleiben oder so was, sparen Sie sich irgendwelche Suchaktionen. Warten Sie ganz einfach hier daheim ab, ich bin sicher, Lydia und ich werden irgendwann irgendwo wieder aufkreuzen.«
    »Viel Glück«, murmelten die Reporter im Chor, während NASA-Bonzen und Techniker kamen und die Dangerfields aus dem Aufnahmebereich der Fernsehkameras und zur Seite geleiteten.
    »Jetzt dauert's nicht mehr lang«, sagte Stuart zu Lightheiser, der nunmehr neben ihm stand und gleichfalls zuschaute.
    »Muß das 'n blödsinniger Streber sein, der auf so 'n Flug geht«, sagte Lightheiser, der auf einem Zahnstocher kaute. »Er wird nie zurückkommen, es macht ja keiner 'n Hehl daraus.«
    »Weshalb sollte er denn überhaupt zurückkommen wollen?« meinte Stuart. »Was ist hier schon so großartig?« Er beneidete Walt Dangerfield; er wünschte, daß er, Stuart McConchie, dort vor den Fernsehkameras und im Mittelpunkt des Interesses der ganzen Welt stünde.
    Auf seinem Karren kam Hoppy Harrington die Kellertreppe herauf, fuhr hastig nach vorn. »Haben sie ihn schon hoch geschossen?« erkundigte er sich mit überstürzter, nervöser Stimme bei Stuart, indem er zum Bildschirm hinaufspähte. »Er wird verbrennen. Es wird genauso gehen wie damals mit dem anderen, neunzehnhundertfünfundsechzig. Ich selbst erinnere mich natürlich nicht, aber ...«
    »Halt bloß die Klappe, ja«, unterbrach ihn Lightheiser leise; der Phokomelus errötete und verstummte. Danach sahen sie alle nur noch wortlos zu, jeder mit den eigenen privaten Gedanken und Reaktionen beschäftigt, während man auf dem TV-Schirm sehen konnte, wie man mit einem riesigen Kran das letzte Wartungsteam vom Bug des Raumschiffs herabbeförderte. Bald mußte der Countdown beginnen; die Rakete war betankt und gecheckt, und nun stieg das Paar an Bord. Die kleine Zuschauermenge vor dem Fernsehgerät regte sich und verfiel in Geraune.
    Einige Zeit später an diesem Tag, irgendwann am Nachmittag, sollte die Warterei belohnt werden, denn dann würde das Raumschiff Dutchman IV endlich starten; eine Stunde lang hatte es noch die Erde zu umkreisen, und die Menschen würden auch die Umkreisung vor dem Fernseher beobachten, das Raumschiff wiederholt kreisen sehen können, bis man schließlich die endgültige Entscheidung traf und unten in der Bodenstation jemand die letzte Phase einleitete, die Rakete aus der Erdumlaufbahn schwenkte und sich von dieser Welt entfernte. Die Menschen hatten dergleichen bereits gesehen; es war jedesmal im großen und ganzen das gleiche, die einzige Neuheit bei diesem Projekt war, daß die Besatzung diesmal nicht zurückkehren sollte. Das war es wert, einen vollen Tag vorm Fernsehapparat zu verbringen; die Masse der Fernsehzuschauer hatte sich auf längeres Warten eingestellt.
    Stuart McConchie dachte ans Mittagessen und daran, daß er danach weiter die Übertragung mitverfolgen wollte; er würde wieder hier stehen und gemeinsam mit den anderen alles anschauen. Infolge dessen würde er heute so gut wie gar keine Arbeit erledigen können, niemandem einen Fernsehapparat verkaufen. Aber dieser Raumstart war wichtiger. Er durfte ihn auf keinen Fall versäumen. Das dort oben könnte ich sein, redete er sich ein. Vielleicht wandere ich später auch dorthin aus, wenn ich genug verdiene, um zu heiraten, möglicherweise nehme ich dann Frau und Kinder und fange mit ihnen ein neues Leben auf dem Mars an, wenn dort eine wirklich gute Kolonie besteht, nicht mehr bloß Maschinen vorhanden
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