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0170 - Die Ratte von Harlem

0170 - Die Ratte von Harlem

Titel: 0170 - Die Ratte von Harlem
Autoren: Die Ratte von Harlem
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New York stöhnte unter der Julihitze.
    Ich hockte an meinem Schreibtisch und döste vor mich hin. Alle Fenster und Türen waren aufgerissen, aber kein Lufthauch regte sich. Der Ventilator, über dessen Schnarren ich mich jahrelang geärgert, habe, streikte; wie hätte es auch anders sein können?
    Teuflischerweise geisterte ausgerechnet jetzt jener kühle Bergbach in den Catskill-Mountains durch mein kochendes Hirn, den ich als Junge an solchen Tagen gerne mit bloßen Füßen durchwatet hatte, wenn ich bei Onkel Sim zu Besuch war.
    Bademeister müßte man sein, oder noch besser Arbeiter in einer Blockeisfabrik…
    »Rrrrihhhh!« Das Telefon gellte.
    Träge griff ich mit der Linken danach. »Ja…?«
    Als ich die Stimme Mr. Highs erkannte, setzte ich mich unwillkürlich aufrecht.
    Was er sagte, bekam ich irgendwie nicht ganz mit, und ich bat: »Bitte, Chef, ich habe nicht recht verstanden, sagen Sie’s noch einmal.«
    »Sie haben noch drei Tage Urlaub zu kriegen. Das wissen Sie doch wohl, Jerry?«
    »Natürlich…«
    »Die fangen jetzt an, genau in diese, Minute!«
    Klack! Er hatte aufgelegt.
    Ich hatte den Hörer noch am Ohr und starrte auf die Wählscheibe.
    Na klar, es stimmte schon, ich hatte noch drei Urlaubstage gut. Die drei Tage, die ich im Mai abgegeben hatte, als ich hörte, daß Phil drüben in Detroit in der Klemme saß. Die Geschichte erzähle ich übrigens ein andermal.
    Entschlossen warf ich den Hörer auf die Gabel und saß noch einen Augenblick da wie betäubt. Urlaub! Jeder Bademeister war plötzlich ein armer Schwerarbeiter in meinen Augen. Nichts wie weg, hinauf in die Catskill-Mountains. Bei günstiger Fahrt konnte ich am Spätnachmittag da sein. Onkel Sim würde Augen wie Spiegeleier machen.
    Teufel, daß ausgerechnet heute der Wagen nicht im Hof stand! Gestern nach Dienstschluß blubberte er plötzlich auf dem Heimweg, keuchte mühsam mit sieben Meilen in der Stunde voran. Meine Werkstatt hatte schor Feierabend. Mr. Owen, der lange Verkehrsschupo an der Ecke der 116. Straße und Park Avenue griente mich mitleidig an. »Sehen Sie zu, daß Sie den Dampfer noch zu Biondelli kriegen.«
    Ich hatte nur »Dampfer« gehört. Damit meinte der Bursche meinen herrlichen Jaguar.
    »Er wohnt drüben in der 134. Straße, Nr. 207, durch den Hof. Ein Italiener. Hat früher bei Ferrari gearbeitet. Er ist schnell und sauber.«.
    Also auf nach Harlem. Ich hatte Biondelli angetroffen, und er, ein krausköpfiger dicker Bursche in den Fünfzigern, hatte den »Dampfer« kurz angesehen, dem Geräusch des Motors gelauscht und mit wild gestikulierenden Händen und fachmännischer Miene erklärt: »Die Packung zwischen dem ersten und dem zweiten Topf ist geplatzt!«
    Er hatte mir versprochen, den »Dampfer« bis heute nach Feierabend wieder seetüchtig zu machen. —Wie ein Verrückter schoß ich zum Fahrstuhl.
    »He, Jerry!« rief mir ein Kollege nach, »wo brennt’s denn?«
    Ich bin wohl selten so schnell aus dem Bau gekommen, wie an diesem Tag. Als ich schon auf der Straße war, fiel mir ein, daß ich Phil doch eine Nachricht hinterlassen müßte. Er hatte draußen in der Westchester Avenue, in der Bronx, zu tun.
    Mit einem Taxi kam ich ziemlich schnell vom Broadway zur Madison Avenue, östlich am Central Park entlang hinauf nach Harlem.
    Am Harlem River stieg ich aus; das Taxi fuhr weiter, hinüber über den Harlem River nach der Bronx. Ich lief das kleine Stück schnell zu Fuß.
    Ich hatte gerade das Harlem House hinter mir und die Lenox Avenue überquert, um in die 133. Straße einzubiegen, als ich aus einem Hausgang einen gellenden Schrei vernahm. Dann ein Poltern über hölzerne Stiegen. Direkt vor meinen Füßen landete ein kleiner dunkelhäutiger Mann. Er erhob sich ächzend und blickte mit angstgeweiteten Augen in den Hausgang.
    Die kreischende Stimme einer Frau drang bis auf die Straße. »Scher dich zum Teufel, du Betrüger, du Dieb, du Spitzbube, du Halunke! Du elender Verbrecher!« Gleich darauf sah ich die Besitzerin dieser Stimme und dieses Wortschatzes. Wie eine überdimensionale Rachegöttin stand die ebenholzfarbene Lady in der Tür und keifte weiter.
    Der Mann blickte sie ergeben an. Als er den Kopf wandte, sah ich in ein Paar traurige Augen. »Verzeihen Sie, Mister«, stotterte er wie entschuldigend. »Sie ist erregt. Sie glaubt mir nämlich nicht…«
    »Glauben!« zeterte die Frau schrill und rollte wild mit den Augen. »Wer will einem Halbblut schon glauben? Gewettet hast du wieder, du
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