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Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)

Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)

Titel: Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)
Autoren: Meg Donohue
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1 – Annie
    Viele Leute halten mich für unzuverlässig. Das liegt daran, nehme ich an, dass ich mich vielleicht einen Tick zu ausgefallen anziehe, Mehlflecken auf den Kleidern habe und keine Hedgefonds-Managerin, IT-Unternehmerin oder Anwältin bin. Ach ja, und Locken habe ich auch, was mich wohl als unberechenbar ausweist. Sag mir, was für Haare du hast, und ich sag dir, wer du bist, scheint die neue Devise zu sein.
    Natürlich nimmt niemand das Wort »unzuverlässig« in den Mund, wenn er mich beschreibt. Stattdessen fallen so beschönigende Umschreibungen wie »sie hat ihren eigenen Kopf« oder »sie weiß, was sie will«, was eigentlich heißen soll, dass sie mich für eine dieser launischen, selbstverliebten Zicken halten, die immer und überall vierzig Minuten zu spät kommen, wenn sie überhaupt irgendwann einmal auftauchen. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall. Wenn ich etwas zusage, dann halte ich mich auch daran, danke sehr. Wenn ich verspreche, dass ich komme, dann bin ich auch pünktlich da.
    Und trotzdem: Als ich zum ersten Mal nach zehn Jahren wieder auf dem gepflasterten Vorplatz der Villa der St. Clairs stand, spielte ich ganz kurz mit dem Gedanken, kehrtzumachen und das Weite zu suchen. Schweigend ragte das riesige Ungetüm vor mir auf – jenes Haus, in dem ich zusammen mit meiner besten und schlechtesten Freundin zugleich aufgewachsen war, der einzige Ort, der je so etwas wie ein Zuhause für mich gewesen war. Während ich noch zögernd zu den in der Abendsonne glänzenden Fenstern aufsah, stieg aus der Schachtel in meinen Händen der heitere, zuversichtliche Duft von Meyer-Lemon-Cupcakes auf. Kurz überlegte ich, was schlimmer war: mit einem Rückzieher Lollys Zorn zu riskieren oder mich vor einem Dutzend kecker Cupcakes für meine Feigheit rechtfertigen zu müssen. Ich reckte mich so hoch, wie es meine 1,62 Meter erlaubten, und marschierte auf den Vordereingang zu.
    Ein schmallippiges Dienstmädchen mit energisch gescheiteltem schwarzem Haar und dick aufgetragenem Make-up öffnete die Tür. Sie war eindeutig nur für die Party engagiert worden. Normalerweise bekam Lolly schon die Krise, wenn ihre Angestellten auch nur einen Hauch zu viel Schminke auftrugen; angesichts dieser Kriegsbemalung war ein Wutanfall geradezu unvermeidlich. Prompt empfand ich Mitleid für die Frau. Oder war es Solidarität?
    »Hi«, sagte ich. »Ich bin Annie Quintana.«
    Die Frau wirkte etwas ratlos. Kein Wunder: Ich trug weder das schwarze Kellnerinnen-Outfit, noch war ich so aufgedonnert, dass ich als Gast durchgehen konnte. Sie blinzelte mich mit ihren Mascara-beladenen Wimpern an und senkte den Blick schließlich auf die Schachtel in meinen Händen. »Ah«, sagte sie. »Sie bringen die Cupcakes.«
    »Genau. Ich bringe die Cupcakes. Ich bin sozusagen das Sahnehäubchen. Wie schön für mich!« Ich lachte dünn, aber sie ignorierte meinen Versuch, die Situation aufzulockern. Womöglich hatte Lolly bereits ein ernstes Wörtchen mit ihr geredet.
    Sie drehte sich um und murmelte etwas vor sich hin, was ich als Aufforderung zum Eintreten interpretierte.
    Ich betrat das kirchenschiffähnliche Foyer mit dem glänzenden Marmorboden. Die wilde Farbkomposition von Jackson Pollock, die ich so lebhaft in Erinnerung hatte – und später an der Uni analysieren musste –, hing immer noch über der mit braunem Stepppolster bezogenen Bank, auf der ich als Kind so oft gesessen hatte. Durch das Dachfenster zwei Stockwerke über uns fiel die goldene Abendsonne auf die Mahagoni-Treppen, die sich zu beiden Seiten des Raumes in die Höhe schwangen. Wenn dieser erste Eindruck nicht trog, hatte sich im Haus der St. Clairs in den letzten zehn Jahren nichts verändert. Das überraschte mich nicht. Evelyn und Thaddeus St. Clair, oder Lolly und Tad, wie ihre besten Freunde sie nannten, waren feste Größen in der High Society von San Francisco und hielten unbeirrbar an ihrem guten Geschmack fest. Ich hatte das Gefühl, aus der Zeit gefallen zu sein. Halb rechnete ich damit, Julia St. Clair in ihrer maßgeschneiderten Schuluniform am oberen Ende der Treppe stehen zu sehen, mit ihrem breiten Grinsekatzen-Lächeln und dem Discman, aus dem das jodelnde Geträller von Jewel drang. Zum Glück war das unmöglich. Julia war mittlerweile achtundzwanzig Jahre alt, wie ich, und trug die Farben unserer Schule schon lange nicht mehr. Mein letzter Stand war, dass sie als stellvertretende Vorsitzende eines Risikokapitalunternehmens in New York lebte. Na,
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