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Kebabweihnacht

Kebabweihnacht

Titel: Kebabweihnacht
Autoren: Lale Akgün
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einen Seidenschal und eine große Tüte Gummibärchen, weil sie die so gerne aß. In letzter Zeit hatte sein Vater zu Hause auch die Gummibärchen verboten, weil der Imam gesagt habe, dass in den Gummibärchen Schweinegelatine sei, was das Gummibärchenessen zu einer großen Sünde machte.
    Wenn Gott so groß ist, dachte Umut, und so erhaben, dann kann er sich doch nicht damit beschäftigen, ob meine Mama Gummibärchen isst oder nicht. Das kann doch nicht wichtig sein für Gott. Meine Mama ist ein guter Mensch, sie tut niemandem etwas zuleide, sie lügt nie – na ja, fast nie, abgesehen von ein paar Notlügen – und tut nichts Böses. Da soll sie wegen ein paar Gummibärchen in die Hölle kommen? Das leuchtete ihm nicht ein, also hatte er eine riesige Tüte Weingummi zusammengeschaufelt. Sie würde sich bestimmt darüber freuen.
    Für sich hatte er einen Pullover gekauft, den er schon die ganze Zeit haben wollte, sozusagen als »Mama-Geschenk«.
    Er schaute sich noch einmal im Zimmer um, es war alles so weit fertig, im Schrank hingen die Sachen, die er morgen Abend anziehen wollte, denn er wollte nach der Arbeit direkt in die »Weihnachtswohnung« kommen, bevor dann seine Mutter eintraf.
    |83| Er ging noch einmal in die Küche, auch hier war alles vorbereitet für den ersten eigenen Weihnachtsabend in seiner Wohnung, sogar einen Weihnachtstee hatte er besorgt. Die Mama trank gern schwarzen Tee, aber morgen Abend musste es eben der Weihnachtstee sein.
    War das alles zu viel? Übertrieb er vielleicht ein wenig mit all der Weihnachtlichkeit? Nein, nein, jetzt, wo Mama dabei war, war alles gut und richtig, es war keine Kopie mehr, es war wahrhaftig Weihnachten.
    Er schloss die Tür sorgfältig ab und fuhr dann nach Hause. Ach, er fühlte sich inzwischen in seiner neuen Wohnung viel mehr zu Hause, aber jetzt musste er dahin.

|85|
    UMUT FUHR SEHR früh zur Arbeit. Eine unglaubliche Vorfreude breitete sich in seinem Herzen aus. Heute würde er Weihnachten feiern.
    Als er die Kunden bediente, die in aller Eile die letzten Geschenke kauften, hatte er – im Gegensatz zu früheren Jahren – das Gefühl, Teil eines Ganzen zu sein. Heute war er nicht mehr Dienstleister für eine andere Welt, sie gehörten alle zusammen. Und wenn er den Kunden »Frohe Weihnachten!« zurief und diese »Ihnen ebenso!« antworteten, war es kein Austausch von Floskeln wie in den vergangenen Jahren, sondern ein wahrer Segenswunsch.
    Gegen 15 Uhr konnte er endlich Feierabend machen und eilte zu seinem neuen Zuhause. Seine Mutter würde gegen halb fünf kommen, so war es verabredet.
     
    Auch Hülya war den ganzen Morgen voller Vorfreude gewesen, sie konnte sich nicht einmal erklären, warum. Weil sie ihrem Kind eine Freude machte? Weil sie es ihrem Mann zeigte, auch wenn er es nie erfahren würde? Weil sie endlich das tat, was sie für richtig hielt?
    |86| Gegen Mittag ging sie schnell rüber zu den Rohowskys und gab ihnen ihre Geschenke. Das machte sie seit Jahren, und obwohl Arif das wusste, hielt er den Mund. Sie durfte noch einmal die Pracht bewundern, die ihr Sohn erschaffen hatte, und schon nach einer halben Stunde war sie wieder in ihrer Wohnung.
    Sie machte sich schön, nahm ihre Geschenkpakete und verließ das Haus. Sie hatte sich weder beim Ehemann noch bei der Tochter abgemeldet. Zum ersten Mal nicht. Und jeden Gedanken an die Folgen, wenn die beiden sie zu Hause nicht antrafen, hatte sie weggewischt, ja sie hatte es sich verboten, darüber weiter nachzudenken.
    Sie merkte, dass sie aufgeregt war, so als würde sie etwas Verbotenes machen. Als würde ich durchbrennen, dachte sie und wurde traurig. Das sind nur noch kleine Fluchten, ich hätte vor zwanzig Jahren durchbrennen sollen!
     
    Als Ayla gegen vier nach Hause kam, fand sie die Wohnung leer vor. Sie wunderte sich ein wenig, nahm dann an, dass Mutter und Bruder wie jedes Jahr bei den Rohowskys saßen, um ihr Ersatzweihnachten zu feiern, wie sie leicht verächtlich dachte. Sie ging in ihr Zimmer und schaltete den Fernseher ein, um die Zeit bis zum Abendessen totzuschlagen.
     
    Umut war in Windeseile in die WG geflitzt, hatte sich geduscht und umgezogen, als es an der Tür klingelte. |87| Er schaute auf die Uhr: Es war gerade vier Uhr. Seine Mutter hatte sich auch beeilt. Und wie schick sie aussah! Sie trug ein neues Kleid, viel eleganter als sonst. Das Kopftuch hatte sie zwar nicht abgenommen, aber sie hatte es ganz anders gebunden. Sie wirkte so – Umut suchte nach Worten – en
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