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Kebabweihnacht

Kebabweihnacht

Titel: Kebabweihnacht
Autoren: Lale Akgün
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Weihnachtsmärkte und die Weihnachtsfeiern. Sie können es nicht zugeben, weil es nicht trendy ist, das alles schön zu finden. Ja, wenn Umut auch so einer wäre, dann hätten Sie recht, dann bräuchte diese Geschichte nicht erzählt zu werden.
    Es war aber anders. Es war so, dass Umut ein Moslem war und aus einer konservativen türkischen Familie stammte und dass sein Vater es gar nicht gerne sah, wenn man Weihnachten gut fand. Und es hätte ihm noch viel weniger gefallen, zu hören, dass sein eigener Sohn ein Weihnachtsfreak war. Das heißt: Umut musste nicht sich selbst belügen wie die meisten Leute, die über Weihnachten stöhnten, sondern »nur« seine Familie, insbesondere seinen Vater.
    Vor sich selber hatte Umut keine Geheimnisse, er wusste: Er liebte Weihnachten.
    »Wie gesagt, da wir kein Weihnachten feiern, können |9| Sie mich über die Adventszeit sehr gerne länger einplanen!«
    »Junger Mann, dann setze ich Sie doch gleich in der Weihnachtsabteilung ein!«
    Der Ausbildungsleiter war wahrscheinlich der Meinung, einen Witz gemacht zu haben, doch abermals sagte Umut: »Sehr gerne!«
    Als Umut an jenem Sommerabend nach Hause fuhr, spürte er eine Vorfreude im Bauch, als hätte die geliebte Adventszeit schon eingesetzt.
    |10| KÖNNTE MAN SAGEN , die Rohowskys seien schuld daran, dass Weihnachten Umut so viel Freude bereitete?
    Umut hatte sie kennengelernt, als er fünf war. In dem Jahr war viel passiert. Er war in den Kindergarten gekommen, und sie waren umgezogen, in dasselbe Haus und auf dieselbe Etage, wo auch die Rohowskys wohnten. Damals, vor zwölf Jahren, waren die Rohowskys Anfang siebzig gewesen, aber noch so rüstig, dass sie sich gefreut hatten, kleine Kinder in der nächsten Nachbarschaft zu haben.
    Und dann war die Adventszeit gekommen. Damals wusste Umut nichts von einer Adventszeit, es war einfach nur Winter und kalt gewesen.
    Aber diese dunkle Jahreszeit erhellte sich auf einmal, als es Dezember wurde, im Kindergarten und durch Maria Rohowsky. Eines Morgens hatte einfach eine Tüte mit Süßigkeiten vor der Tür gelegen. »Das müssen die Nachbarn gewesen sein«, hörte er seine Mutter sagen, »wahrscheinlich wollen sie damit andeuten, dass wir uns noch nicht bei ihnen vorgestellt haben. Aber sie hätten auch mal ruhig herzlich willkommen sagen können.«
    |11| »Ist doch eine nette Geste«, erwiderte der Vater, »wir gehen heute Abend mal rüber und bedanken uns.«
    Genauso war es dann gekommen. Sie hatten alle zusammen die Rohowskys besucht und sich vorgestellt.
    »Noch mal vielen Dank für die Plätzchen, die Sie uns vor die Tür gelegt haben«, sagte der Vater.
    »Aber das war ich doch gar nicht, das war der Nikolaus.« Frau Rohowsky schmunzelte. Dann wandte sie sich an Umut: »Ist der Nikolaus gekommen?«
    »Welcher Nikolaus?«
    »Was, du kennst den heiligen Nikolaus nicht? Wo er doch ein Landsmann von dir ist?«
    Sein Vater – damals war Arif noch viel gelassener gewesen – kam zu Hilfe: »Ach, das war der Nikolaus gewesen! Und ich dachte schon, Sie hätten die Plätzchen vor die Tür gelegt!«
    »Aber nein, wie komme ich dazu? Der Nikolaus kommt zu allen Kindern, die brav gewesen sind. Und anscheinend ist Ihr Sohn sehr brav gewesen, sonst wäre der heilige Nikolaus nicht zu ihm gekommen!«
    Die Erwachsenen lachten. »Ja, Umut ist ein lieber Junge«, sagte seine Mutter.
    »Und zu Umut kommt der Nikolaus in der Tat besonders gerne, wo er doch aus Anatolien stammt so wie wir«, ergänzte sein Vater. »Zu wem sollte der Nikolaus denn kommen, wenn nicht zu Umut, wo er doch so ein liebes Kerlchen ist und ein Landsmann dazu!«
    |12| Der Nikolaus! Umut war ganz fasziniert von dem Gedanken, dass der Nikolaus, der auch im Kindergarten gewesen war, an ihn gedacht und ihn zu Hause persönlich aufgesucht hatte. Aber wenn das stimmte, was sein Vater sagte – und sein Vater wusste alles –, dann war es ja klar, dass er bevorzugt zu ihm kam. Das musste er am nächsten Tag im Kindergarten erzählen.
    Doch es stellte sich heraus, dass der Nikolaus bei fast allen Kindern gewesen war, auch bei denen, die nicht aus Anatolien stammten. Das tat Umuts Freude keinen Abbruch. Und auch nicht die Gehässigkeit seiner großen Schwester Ayla, die sich vor ihm aufbaute und behauptete, es gäbe den Nikolaus gar nicht und es wäre doch die Rohowsky gewesen, die ihm die Plätzchen vor die Tür gelegt habe.
    Heulend war er zu seinem Papa gelaufen und hatte ihn gefragt, was denn nun wahr und richtig sei. Sein Papa
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