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Kebabweihnacht

Kebabweihnacht

Titel: Kebabweihnacht
Autoren: Lale Akgün
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hatte ihn beruhigt und mit Ayla geschimpft. »Wenn du so mit deinem Bruder redest, darfst du dich nicht wundern, wenn der Nikolaus nicht zu dir kommt«, hatte er gesagt.
    Ein Jahr später hatte auch die Mutter daran gedacht, Umut eine Überraschung zu bereiten: Morgens, als er die Tür öffnete, konnte er jubeln, dass der Nikolaus schon wieder an ihn gedacht hatte; und abends lag schon wieder ein Geschenk vor der Tür.
    »Mama, was meinst du, hat sich der Nikolaus geirrt, oder ist er zweimal zu mir gekommen, weil ich ein Landsmann von ihm bin?«
    |13| »Der Nikolaus irrt sich nicht«, sagte seine Mutter, »er bevorzugt auch keine Kinder, nur weil sie aus derselben Region stammen. Er wird wohl vergessen haben, dass er schon bei dir gewesen ist.«
    In dem Jahr hatte auch Maria Rohowsky – Oma Rohowsky, wie Umut jetzt zu ihr sagen durfte – ihn zum Plätzchenbacken eingeladen. Ayla kam auch mit, aber sie verlor die Lust und wollte dann wieder nach Hause. Umut aber blieb, obwohl Ayla ihn damit aufzog, dass Jungen keine Plätzchen backen würden. Oma Rohowsky widersprach:
    Alle Menschen würden Plätzchen backen, schließlich würden ja auch alle Menschen Plätzchen essen, nicht wahr?
    Das leuchtete Umut ein. Wer Plätzchen aß, musste auch welche backen dürfen. Und er liebte es, Plätzchen zu backen und ganze Tüten mit nach Hause zu nehmen.
    »Schaut mal, was ich gebacken habe!«, sagte er ganz stolz und zeigte seine Ausbeute.
    Ayla grinste: »Hast du die gebacken?«
    »Hab ich! Schön, nicht?« Umut hatte ganz rote Ohren vor Freude.
    »Dann schau sie dir mal ganz genau an! Sehen sie nicht zufällig genauso aus wie die Plätzchen, die der Nikolaus dir letzte Woche gebracht hat?«
    Umut besah sich die Plätzchen, völlig ratlos. »Nein, das sind meine, nicht die vom Nikolaus.«
    »Du bist ein Dummchen«, sagte Ayla. »Es gibt gar keinen Nikolaus, alle Plätzchen sind von der alten |14| Rohowsky. Die von letzter Woche waren auch von ihr, die hat sie vor unsere Tür gelegt, und jetzt backt sie mit dir welche nach!«
    Sie lachte und schaute ihren Bruder triumphierend an. »Hast du es endlich kapiert, Dummi?«
    Nein, Umut hatte gar nichts kapiert, er wollte auch nichts kapieren. Das Einzige, was er verstand, war, dass sich ihm Aylas Worte ins Herz bohrten. Die Tränen kamen ihm. »Mama, Ayla sagt, meine Plätzchen, die ich gerade gebacken habe, sind die vom Nikolaus! Mama, sag, dass das nicht stimmt!«
    »Ayla!«
    Hülya sah ihre Tochter, die dastand, als könne sie kein Wässerchen trüben, sehr streng an.
    »Ich habe nur gesagt, schau dir mal die Plätzchen an, die du gebacken hast, die sehen genauso aus wie die vom Nikolaus!«
    »Das ist durchaus möglich.« Hülya blickte ihren Sohn liebevoll an. »Deswegen musst du doch nicht weinen. Irgendjemand muss irgendwann der Oma Rohowsky das Rezept von den Nikolausplätzchen verraten haben!«
    »Die Oma hat gesagt, das sei ein altes Familienrezept«, schnaufte Umut, jetzt ein wenig getröstet.
    »Siehst du, dann muss jemand der Oma von der Oma von der Oma das Rezept verraten haben!«
    »Vielleicht hat es ja die Oma von der Oma von der Oma zuerst gewusst und dann dem Nikolaus verraten?« Erwartungsvoll schaute Umut seine Mutter an.
    |15| »Das kann durchaus sein, jedenfalls schmecken sie sehr gut, und ich bin sehr froh, dass du jetzt weißt, wie diese Plätzchen zubereitet werden, denn nun können wir sie auch selber backen.«
    »O ja, bitte, Mama, lass uns auch Weihnachtsplätzchen backen!«
    Und tatsächlich buk Hülya mit ihrem Sohn Weihnachtsplätzchen, und Umut brachte Oma Rohowsky ein paar zum Probieren.
    Als am Abend der Vater nach Hause kam, erzählte ihm seine Frau die Plätzchengeschichte, und wie immer nahm Arif seine Tochter in Schutz.
    »Sie ist eben ein nüchterner Typ«, sagte er. »Du kannst nicht erwarten, dass sie die Ammenmärchen der christlichen Welt übernimmt.«
    »Aber Kinder brauchen Märchen, und es ist schön, wenn Umut an den Nikolaus glaubt«, erwiderte die Mutter.
    »Meine Tochter ist wie ich, wir sind halt sunnitische Muslime, wir glauben nicht an Zauber, wir glauben nicht an Wunder, wir glauben nur an das, was wir sehen, die einzige Ausnahme ist Gott!«
     
    Als Oma Rohowsky zur Weihnachtszeit die Krippe aufbaute und Umut einlud, konnte er sich an den Figuren nicht sattsehen.
    »Schau mal, Umut«, hatte Oma Rohowsky gesagt und auf die Heilige Familie gezeigt, »das ist Maria, das Josef, und das ist das Jesuskind.«
    Das war eine schöne Familie:
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