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Kebabweihnacht

Kebabweihnacht

Titel: Kebabweihnacht
Autoren: Lale Akgün
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vogue. Ja, en vogue. Ein Ausdruck, den er im Zusammenhang mit seiner Mutter nie benutzt hatte.
    »Mama, du siehst toll aus, aber du bist zu früh, ich habe noch nicht alles vorbereiten können.«
    »Hallo, mein Schatz, deswegen bin ich ja früher gekommen, damit wir das zusammen tun können.«
    Das stimmte nicht ganz, denn Hülya hatte es zu Hause nicht mehr ausgehalten. Hülya legte ihre Geschenke ebenfalls unter den Weihnachtsbaum und sah zu ihrer Überraschung, dass dort bereits einige Pakete lagen.
    Dann machten sie zusammen den Tee, zündeten die Kerzen an und schnitten den Kuchen auf, der wie ein Baumstamm aussah. Er war mit Schokoladencreme überzogen und mit roten Marzipanpilzen und grünen Marzipanblättern geschmückt.
    »Was ist das denn für ein Kuchen?«, fragte Hülya, die einen Stollen erwartet hatte.
    »Das ist ein Bouche, ein französischer Weihnachtskuchen, den habe ich bei uns im Kaufhaus gefunden und gekauft, weil er so aussieht wie die türkischen Kuchen, und da dachte ich, dass er dir besser schmecken würde als so ein deutscher Stollen.«
    »Du, ich glaube, ich habe diesen Kuchen auch vor |88| zwei Jahren in der Türkei gesehen, dort scheint er sehr beliebt zu sein.«
    »Siehst du, ich kenne den türkischen Geschmack!« Seine Mutter sollte sich wohl fühlen, sie sollte nicht fremdeln, und mit dem Kuchen hatte Umut einen guten Anfang gemacht. Das freute ihn sehr.
    »Schau doch mal, was ich alles zu essen mitgebracht habe. Ich weiß zwar nicht, ob das, was ich gekocht und gebacken habe, zu Weihnachten passt, aber ich weiß, dass du das alles sehr gerne isst!«
    Umuts Augen leuchteten. Seine Mutter hatte einen riesigen Korb dabei, voller Leckereien. »Mama, das passt wunderbar. Wir können ja noch den ganzen Abend essen! Wollen wir zuerst meinen Kuchen probieren und dann unsere Geschenke auspacken?«
    Hülya brannten die Augen. Umut war ein Kind, wenngleich ein großes, aber er war ein Kind, das mitmachen wollte, und jetzt wollte dieses Kind Weihnachten spielen, das erste Mal in seinem Leben. Hülya fragte sich, warum sie es ihren Kindern nicht gestattet hatten, all die Jahre Weihnachten zu feiern. Was wäre schon dabei gewesen? Es war so leicht, und hätten sie es erlaubt, hätte Umut jetzt sicher nicht diesen Nachholbedarf. »Wer weiß, wozu es gut ist?«, pflegte ihre Mutter bei jeder Gelegenheit zu sagen, und wahrscheinlich hatte sie recht. Alles war irgendwann zu irgendetwas gut, sicherlich hatte auch diese kleine Feier von Mutter und Sohn, hier und jetzt, nach Jahren des Weihnachtsverbotes, ihren höheren Sinn.
    |89| »Ich finde die Reihenfolge gut«, antwortete Hülya. »Wir sollten erst den Kuchen essen und den Tee trinken und dann uns die Geschenke anschauen. Wenn du wüsstest, was du alles bekommst!«
    »Was denn?«, fragte Umut voll kindlicher Neugier.
    »Jetzt warte mal ab, du wirst schon sehen.«
    Sie setzten sich an den Küchentisch, und Umut schenkte ihnen Tee ein. Die beiden versuchten über Belanglosigkeiten zu reden, aber es lag eine Spannung in der Luft, die sie fast mit der Hand greifen konnten.
    »Mama, bist du heute Abend gerne hier?«, fragte Umut unvermittelt.
    Ertappt sah Hülya hoch. »Aber ja, sonst wäre ich doch nicht gekommen!«
    »Ja doch, mir zuliebe. Aber bist du gerne hier? Ich meine, wolltest du Weihnachten feiern, oder bist du mir zuliebe gekommen?«
    Hülya überlegte. Ja, warum war sie just in diesem Moment hier?
    Um Weihnachten zu feiern? Um ihrem Kind einen Gefallen zu tun? Oder um Arif eins auszuwischen? Wenn sie ehrlich war, dann hatte Weihnachten für sie nicht den Stellenwert wie für Umut. Aber sie war Mutter und spürte, dass sie ihren Kindern all die Jahre nicht gerecht geworden war. Sie hatte ihnen die kleinen und die großen Freuden des Lebens vorenthalten. Vor allem hatte sie nicht energischer gegen Arif Widerstand geleistet, als er ihren Kindern die Erfahrungen der Altersgenossen untersagte. »Wir |90| sind anders!«, hatte es immer geheißen, wenn es darum ging, den Kindern etwas zu verbieten. Vielleicht hätte es »wir sind genauso« heißen müssen.
    Sie sah Umut lange an, bevor sie sagte: »Ich bin heute Abend hier, weil ich dich liebe und weil ich mit dir zusammen Dinge erleben möchte, die dir Freude machen! Reicht dir das als Erklärung?«
    Umut stand auf und umarmte seine Mutter. »Danke, Mama!«
    Die Spannung hatte sich gelöst.
    »Komm, jetzt packen wir unsere Geschenke aus!«
    »O ja!«
    Sie gingen in Umuts Zimmer, das »very British«,
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