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Leise Kommt Der Tod

Titel: Leise Kommt Der Tod
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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Prolog
    1979
    Im Raum war es still wie in einer Grabkammer.
    Karen Philips breitete das Schmuckstück auf dem Arbeitstisch aus und dachte über diesen Vergleich nach. Die Kleinodien, die vor ihr lagen, stammten aus Grabkammern oder, genauer gesagt, aus den Gräbern der alten Ägypter, die für ihre Reise ins Jenseits reich ausgestattet worden waren. Im grellen Neonlicht verloren die Amulette aus Fayence, Glas und Metall, die Perlenketten und Kolliers etwas von ihrer Ausstrahlung. Aber sie wusste, wie wunderschön sie in einem Schaukasten wirkten, wo man ihre Farben im perfekten, goldenen Licht zum Leben erweckte.
    Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Zwar hatte sie zuvor in Kairo, New York und Washington D.C. zauberhafte Schmuckstücke aus Gold und Perlen gesehen. Aber nun hielt sie zum ersten Mal selbst Schmuck aus einem alten ägyptischen Grab in ihren Händen. Die Kollektion war Teil einer Stiftung, die dem Universitätsmuseum vor kurzem von einem reichen Absolventen gemacht worden war, der ein Faible für ägyptische Antiquitäten hatte. Jeder im Museum, Karen eingeschlossen, war nach dieser Ankündigung in heller Aufregung.
    Die Schenkung war das Ergebnis einer strategisch geplanten Freundschaft zwischen Willem Keane, dem Kurator für ägyptische Antiquitäten des Museums, und Arthur Maloof, einem Bankier mit unermesslichem Privatvermögen. Willem hatte ihn
davon überzeugt, dem Museum einige Stücke seiner exklusiven Sammlung zu übergeben. Am meisten hatte es ihm dabei eine außergewöhnliche Maske aus Blattgold angetan. Um dieses Objekt würden ihn zahllose Museen in der ganzen Welt beneiden. Da es Gesetze gab, die das Ausführen von Antiquitäten aus Ägypten verboten, war es eine Seltenheit, dass derartig wertvolle Ausgrabungsschätze auf den Markt kamen.
    Die Maloof-Sammlung umfasste noch einige andere interessante Stücke: Kanopenkrüge, in denen die Organe eines mumifizierten Königs aufbewahrt worden waren, Kästen mit Spielen sowie eine stattliche Anzahl kleiner Shabti-Figuren, die stellvertretend für den Toten sämtliche anfallenden Arbeiten in der nächsten Welt verrichten sollten. Letztere waren erst später hinzugefügt worden. In der Grabkammer hatte sich kein besonders seltenes oder wertvolles Stück befunden, und Karen vermutete, dass Maloof deshalb die Kollektion zusammen mit der Maske Willem überlassen hatte.
    Willem war an den Schmuckstücken nicht besonders interessiert gewesen, und als Karen ihn darum gebeten hatte, sie inspizieren zu dürfen, hatte er sofort zugestimmt. Sie schrieb gerade an ihrer Doktorarbeit zum Thema Frauen und Grabschmuck und hoffte, unter den Neuanschaffungen etwas Verwertbares zu entdecken. Und selbst wenn nicht, war sie mit großer Wahrscheinlichkeit die erste Schülerin, die jene Stücke untersuchte. Bei diesem Gedanken verspürte sie freudige Erregung.
    Bevor sie sich den Schmuckstücken zuwandte, suchte sie in den Akten nach Hintergrundinformationen. Zunächst war da eine Reihe von Amuletten in Form von Tieren und Göttern, die für die alten Ägypter unterschiedliche Bedeutungen gehabt hatten. Es gab eine große Zahl Skarabäen und Horus-Augen, außerdem ein paar Krokodile, Geier und Paviane. Die kleinen Anhänger waren wahrscheinlich zwischen den Leinenwickeln einer Mumie gefunden worden. Sie sollten dazu dienen,
den Toten im Grab zu beschützen. Die Amulette waren keine Seltenheit, Karen hatte zuvor schon ähnliche gesehen und schenkte ihnen deshalb keine besondere Aufmerksamkeit. Als Nächstes war eine Serie einfacher Armbänder und Ketten aus Gold und Glasperlen aufgeführt. Sie datierte sie mit großer Wahrscheinlichkeit in die Zeit des Neuen Reichs und machte sich ein paar Notizen, ehe sie sich dem letzten Stück zuwandte. Es handelte sich um ein Kollier mit goldenen Falkenköpfen und Perlen aus Fayence, zwischen denen zahlreiche Amulette aus den verschiedensten Steinen eingearbeitet waren. Die Falkenköpfe an den beiden Enden der dicken Kette waren aus Gold und trugen Verzierungen aus Lapislazuli und Karneol.
    Karen setzte sich etwas aufrechter hin. Es war ein wunderschönes Stück; so etwas Wertvolles hatte sie nicht erwartet. Laut Akte war der Schmuck aus der achtzehnten Dynastie und stammte aus einem Grab in Gizeh, aber sie hielt diese Information für falsch. Das Stück kam ihr entfernt bekannt vor. Nicht das Kollier selbst, sondern seine Machart. Sie kritzelte ein paar Notizen auf ein Stück Papier und wollte sich gerade wieder den Akten zuwenden,
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