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Julia

Julia

Titel: Julia
Autoren: Anne Fortier
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und zu dem Ergebnis gekommen war, dass sie trotz ihrer großkotzigen Art auch nur ein verängstigtes kleines Mädchen war, wurden seine abschätzenden Augen kalt, und er sagte zu seinen Männer etwas, das Umberto dazu veranlasste, mit ausgebreiteten Armen vorzuspringen und sich zwischen sie und uns zu stellen. »No«, bat er, »ti prego!«
    »Vaffanculo!«, höhnte Cocco und zielte mit seiner Maschinenpistole auf ihn.
    Dem Klang nach zu urteilen, fand zwischen den beiden nun ein wortreicher Austausch von Bitten und Obszönitäten statt, bis Umberto schließlich auf Englisch umschaltete.
    »Mein Freund«, sagte er in so flehendem Ton, dass ich fast damit rechnete, ihn vor Cocco auf die Knie fallen zu sehen, »ich weiß, du bist ein großzügiger Mann. Und ein Vater. Sei gnädig. Ich verspreche dir, dass du es nicht bereuen wirst.«
    Cocco gab ihm nicht gleich eine Antwort. Die Art, wie er die Augen zusammenkniff, ließ vermuten, dass er nicht gerne an seine Menschlichkeit erinnert wurde.
    »Bitte«, fuhr Umberto fort, »die Mädchen werden mit niemandem darüber reden. Das schwöre ich dir.«
    Woraufhin Cocco eine Grimasse schnitt und in seinem bedächtigen Englisch antwortete: »Mädchen reden immer. Bla-bla-bla.«
    Hinter meinem Rücken drückte Janice meine Hand so fest, dass es wehtat. Sie wusste genauso gut wie ich, dass es eigentlich keinen Grund gab, warum Cocco uns lebend davonkommen lassen sollte. Seine Edelsteine hatte er jetzt, und mehr wollte er nicht. Was er ganz bestimmt nicht brauchte, waren Zeugen. Trotzdem fiel es mir schwer zu begreifen, dass es nun wirklich dem Ende zuging. Würde er uns tatsächlich töten, nachdem wir hier die ganze Zeit mit ihm herumgekrochen waren und ihm geholfen hatten, die Skulptur zu finden? Statt Angst empfand ich inzwischen eher Wut - Wut darüber, dass Cocco so ein eiskalter Mistkerl war und auch keiner von den anderen Männern vortrat, um ein gutes Wort für uns einzulegen. Mit Ausnahme unseres Vaters.
    Sogar Bruder Lorenzo stand einfach nur da und betete mit geschlossenen Augen seinen Rosenkranz, als hätte das alles nicht das Geringste mit ihm zu tun. Wobei er vielleicht wirklich nicht wusste, worum es gerade ging. Wie sollte er auch? Schließlich verstand er weder Englisch noch die Sprache des Bösen.
    »Mein Freund«, begann Umberto von neuem und bemühte sich dabei nach Kräften, ruhig zu bleiben, »ich habe dich damals verschont. Erinnerst du dich? Zählt denn das gar nichts?«
    Cocco tat, als müsste er einen Moment überlegen, ehe er mit einer verächtlichen Grimasse antwortete: »Na schön. Du hast mich verschont. Dafür verschone ich jetzt auch jemanden.« Er nickte zu Janice und mir herüber. »Welche von beiden magst du lieber? Die stroma oder den angeloi«
    »O Jules«, wimmerte Janice und umarmte mich so fest, dass ich kaum noch Luft bekam, »ich hab dich lieb! Egal, was passiert, ich hab dich lieb!«
    »Bitte zwing mich nicht, mich zu entscheiden«, antwortete Umberto mit einer Stimme, die ich kaum wiedererkannte. »Cocco, ich kenne deine Mutter«, fuhr er fort, »sie ist eine gute Frau. Was du hier tust, würde ihr nicht gefallen.«
    »Meine Mutter«, höhnte Cocco, »wird in dein Grab spucken! Deine letzte Chance: die stroma oder den angelo! Entscheide dich, oder ich töte beide.«
    Als Umberto ihm keine Antwort gab, trat Cocco direkt vor ihn hin. »Du«, sagte er langsam, während er Umberto die Mündung der Maschinenpistole gegen die Brust drückte, »bist ein dummer Mann.«
    Statt vorzustürmen und zu versuchen, Cocco am Abdrücken zu hindern, blieben Janice und ich vor Panik wie gelähmt stehen. Eine Sekunde später ließ ein einzelner, ohrenbetäubender Schuss das ganze Gewölbe erzittern.
    Überzeugt davon, dass Umberto getroffen war, liefen wir beide schreiend auf ihn zu und erwarteten, ihn jeden Moment tot umfallen zu sehen, doch als wir ihn erreichten, stand er zu unserer großen Überraschung immer noch aufrecht, auch wenn er vor Schreck ganz steif war. Dagegen lag Cocco mit grotesk abgespreizten Gliedmaßen am Boden. Irgendetwas - ein Donnerschlag vom Himmel - war direkt durch seinen Schädel gedrungen und hatte ihm bei der Gelegenheit den Hinterkopf weggerissen.
    »O mein Gott«, wimmerte Janice, weiß wie ein Gespenst, »was war denn das?«
    »Runter!«, rief Umberto und riss uns heftig mit sich zu Boden. »Und Arme über den Kopf!«
    Um uns herum versuchten Coccos Männer, irgendwo in Deckung zu gehen, während eine Reihe weiterer Schüsse
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