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Tatort Oktoberfest (German Edition)

Tatort Oktoberfest (German Edition)

Titel: Tatort Oktoberfest (German Edition)
Autoren: Barbara Ludwig
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Dienstag – noch vier Tage bis zur Wiesn
    Das riesige Bierzelt ragt halbfertig in den weiß-blauen Himmel. Ludwig steht unschlüssig davor. Voll krass det Ganze, findet er. Die überlebensgroßen Holzrösser, die gelangweilt vor dem Zelt warten, um irgendwann oberhalb des Eingangs an den Start gebracht zu werden, reizen seine jugendliche Neugier nicht mehr. Mindestens dreimal hat er die Pferdegruppe bereits umrundet, an der abblätternden weißen Farbe herumgepult und erfolglos versucht, seine schmale Hand in die überproportional aufgeblähten Nüstern zu zwängen. Die Holzbauten würde er gern näher und von innen in Augenschein nehmen, aber er zaudert, in der Angst, dass die Arbeiter „Schleich di“ rufen und ihn rausschmeißen, wie in dem anderen Zelt. Verlegen scharrt er mit seinem Fuß Kiesel auf dem Weg zusammen, bis sie ein Häufchen auf dem angrenzenden Asphalt bilden. Ab und an streift sein vorsichtiger Blick zum Eingang des Bierzeltes, vor dem ein Malergeselle mit einer Rolle dem noch unbehandelten Holz dunkle Patina verleiht. „Hinten geht’s rein“, wirft er Ludwig nach einer Weile zu und deutet mit dem Kopf an die Seite des Zeltes.
    Der Junge reagiert ertappt und nickt verschämt. Mit roten Ohren biegt er betont unbeteiligt in den schmalen Weg ein, bis er vor dem Seiteneingang steht, über dem ein Schild mit der Aufschrift: „Eingang für Prominente“ prangt. Die Tür steht offen. Auf den Dielen im Innenraum des halbfertigen Festzeltes lümmelt sich zusammengeknülltes Papier. Ludwig schnappt sich mit dem Fuß einen Papierball und kickt ihn weiter. Der improvisierte Ball rollt leicht und beschwingt über den schmutzigen Boden, vorbei an den Reihen der in Plastikfolie eingeschweißten Bierkrüge, an den wie Türme übereinandergestapelten Biertischen, bis er vor einem Girlandenberg aus frischem Hopfen zum Stillstand kommt. Ludwig bückt sich, bricht einen Zweig aus dem dunkelgrünen Gewirr und zerreibt eine Dolde zwischen den Fingern. Ein würziger Geruch steigt ihm bitter in die Nase.
    Unter dem Schirm seiner Kappe schielt er zu den Arbeitern hinüber, die in den seitlichen Boxen werken. Sie beachten ihn zum Glück nicht. Er drückt sich weiter in das Zelt, tappt in der halbfertigen Dekoration herum. Helle Septembersonne drängt sich durch die verschlungenen Rahmen der riesigen Fenster über dem Haupteingang und malt ein Spinnennetz auf den Boden des Zeltinneren, während sich im Schatten an der Wand riesige Bierfässer ausruhen. Vor ihnen trotzt ein noch unbenutzter, hölzerner Ausgabetresen, über dem beziehungslos ein Schild mit der Aufschrift: „Schenke“ baumelt. Die Hände in den Hosentaschen nähert sich Ludwig vorsichtig den Fässern und hofft insgeheim, den blanken Schankhähnen aus Messing, die ihm auffordernd entgegenschauen, schon Bier entlocken zu können. Megageil wäre das, schwirrt es durch seinen Kopf. Aber so viel er auch ruckelt und zuckelt, die Hähne bleiben trocken.
    Enttäuscht wendet sich Ludwig der halboffenen Tür neben den Fässern zu. Eine Leiter lehnt vergessen im Türrahmen. Vorsichtig drückt seine Hand die Tür auf. Die Arbeiter beobachten ihn nicht, stellt er mit einem raschen Rundblick sicher. Er schlüpft rasch in den abgeteilten Raum. Von seiner Decke hängen unterschiedlich dicke Kabel. Auch auf dem Boden und an den Wänden rollen sich unzählige Varianten schlangengleich. Einige mausgraue Gasbehälter präsentieren sich stramm in einer Ecke.
    Gegenüber einer roten Wand behauptet sich eine andere ebenso grell in Neongrün. Die Farbe gleißt regelrecht in den Augen. Sie verfügt im Gegensatz zu ihrer roten Schwester über eine mit einem Riegel versperrte Tür, die in eine weitere abgeteilte Kammer führt.
    „Warnung vor Gasansammlungen – Erstickungsgefahr“ warnt ein in Augenhöhe angebrachtes, gelbes Schild. „Beim Betreten des Raumes Tür offen lassen.“ Neugierig rüttelt Ludwig an dem Riegel. Vergebens. Das Geheimnis der Gasansammlungen bleibt hinter der Tür verborgen.
    Auf der anderen Seite des schmalen Raumes glänzen riesige Behälter aus Edelstahl, Raumkapseln gleich, die just hier gelandet sind und auf den nächsten Einsatz warten. Ob Außerirdische …? Ach Quatsch. Er streckt sich in ihrem Spiegel die Zunge entgegen. Die Krümmung wirft ihm, etwas langgezogen, dadurch noch schmaler und größer als in Wirklichkeit, das Bild eines jungen Burschen in Rapperklamotten vor dem Hintergrund einer grünen Tür entgegen. Irgendwie fremd und geil,
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