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Das Zeichen des Vampirs - The Society of S

Titel: Das Zeichen des Vampirs - The Society of S
Autoren: Susan Hubbard
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Prolog
    Meine Mutter spaziert an einem kühlen Frühlingsabend durch Savannah. Ihre Clogs klappern auf dem Kopfsteinpflaster wie Pferdehufe. Sie schlendert an blühenden Azaleenbüschen und mit Louisianamoos bewachsenen Lebenseichen vorbei und kommt auf einen begrünten Platz mit einem Café.
    Mein Vater sitzt auf einem Hocker an einem schmiedeeisernen Tisch, auf dem zwei Schachbretter liegen. Er ist gerade dabei, auf einem der beiden eine Rochade auszuführen, als er auf blickt und meine Mutter sieht. Er lässt einen Bauern fallen, der von der Tischplatte auf den Gehsteig rollt.
    Meine Mutter beugt sich hinunter, hebt die Schachfigur auf und reicht sie ihm. Sie blickt von ihm zu den anderen beiden jungen Männern, die mit ihm am Tisch sitzen. Ihre Gesichter zeigen keinerlei Regung. Sie sind groß und hager, alle drei, aber mein Vater hat dunkelgrüne Augen, die irgendwie vertraut wirken.
    Mein Vater streckt eine Hand aus und umfasst ihr Kinn. Er blickt in ihre hellblauen Augen und sagt: »Ich kenne dich.«
    Mit der anderen Hand zeichnet er die Kontur ihres Gesichts nach, fährt zweimal den spitzen Haaransatz entlang. Ihr
kastanienbraunes Haar ist lang und voll, mit zartem Flaum am Ansatz, den er aus ihrer Stirn zu streichen versucht.
    Die beiden anderen Männer am Tisch verschränken die Arme und warten. Mein Vater hat gegen beide gleichzeitig gespielt.
    Meine Mutter betrachtet das Gesicht meines Vaters - das schwarze Haar fällt ihm aus der Stirn und über den grünen Augen verlaufen zwei geradlinige dunkle Augenbrauen. Seine Lippen sind schmal, aber geschwungen wie Amors Bogen. Sie lächelt schüchtern.
    Er lässt die Hände sinken, erhebt sich vom Stuhl und gemeinsam schlendern sie davon. Die Männer am Tisch räumen seufzend die Schachbretter ab. Sie müssen jetzt gegeneinander spielen.

    »Ich bin auf dem Weg zu Professor Morton«, sagt meine Mutter.
    »Wo ist sein Büro?«, fragt mein Vater.
    Meine Mutter deutet mit der Hand in Richtung Kunstakademie. Er legt eine Hand auf ihre Schulter, ganz leicht nur, und lässt sich von ihr führen.
    »Was ist das in deinen Haaren? Ein Käfer?«, fragt er plötzlich und zupft an etwas, das wie ein Insekt aussieht.
    »Eine Haarspange.« Sie zieht die kupferne Libelle aus ihren Haaren und reicht sie ihm. »Es ist eine Libelle. Kein Käfer.«
    Er schüttelt den Kopf, dann lächelt er und sagt: »Halt still.« Behutsam schiebt er eine Locke durch die Libelle und steckt sie hinter ihrem linken Ohr fest.
    Sie wenden sich von der Akademie ab und spazieren jetzt Hand in Hand eine steile Kopfsteinpflasterstraße hinunter.
Es wird dunkel und merklich kühler, trotzdem bleiben sie stehen und setzen sich auf eine Mauer.
    Meine Mutter sagt: »Heute Nachmittag saß ich am Fenster und sah zu, wie die Bäume beim Sonnenuntergang langsam dunkler wurden. Dabei dachte ich: Ich werde älter. Mir bleiben nicht mehr so viele Tage, um zuzusehen, wie die Bäume dunkler werden. Man könnte sie zählen. «
    Er küsst sie. Es ist ein flüchtiger Kuss, der kaum ihre Lippen berührt. Der zweite Kuss dauert länger.
    Sie zittert.
    Er beugt sich zu ihr hinunter und bedeckt ihr Gesicht - Stirn, Wangen, Nase, Kinn - mit kleinen, schnellen Wimpernschlägen. »Schmetterlingsküsse«, sagt er, »um dich zu wärmen.«
    Über sich selbst erstaunt, wendet meine Mutter den Blick ab. Innerhalb von Minuten hat sie, ohne zu zögern oder zu protestieren, so viel geschehen lassen. Und sie hat nicht vor, jetzt damit aufzuhören. Sie fragt sich, für wie alt er sie hält. Sie ist sich sicher, dass sie älter ist - er sieht aus wie fünfundzwanzig und sie ist vor Kurzem dreißig geworden. Sie fragt sich, wann sie ihm sagen soll, dass sie mit Professor Morton verheiratet ist.
    Sie stehen auf und gehen weiter, folgen den Betonstufen zum Fluss hinunter. Am Fuß der Treppe befindet sich ein geschlossenes gusseisernes Tor.
    »Ich hasse Momente wie diesen«, sagt meine Mutter. Mit ihren Clogs kann sie nicht darüberklettern.
    Mein Vater steigt über das Tor und öffnet es. »Es war nicht abgeschlossen«, sagt er.
    Als sie hindurchgeht, überkommt sie ein Gefühl der Unvermeidlichkeit. Sie bewegt sich auf etwas vollkommen Neues
und doch Vorherbestimmtes zu. Sie spürt, wie Jahre des Unglücklichseins von ihr abfallen. Einfach so, ohne Anstrengung.
    Sie gehen am Flussufer entlang. Vor ihnen leuchten die Lichter der Touristenshops, und als sie bei ihnen angekommen sind, sagt er: »Warte.« Sie sieht, wie er in eines der
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