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Julia

Julia

Titel: Julia
Autoren: Anne Fortier
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der Jungfrau Maria zurückgegeben worden, genau, wie Romeo Marescotti es damals gelobt hatte. Wir hatten ihn nach Florenz gebracht und professionell reinigen und konservieren lassen. Nun hing er in der kleinen Kapelle des Adlermuseums in einem Glaskasten und sah in Anbetracht der Strapazen, die er hinter sich hatte, erstaunlich gut erhalten aus. Natürlich waren alle in der Contrade völlig begeistert, dass es uns gelungen war, dieses wichtige Stück Geschichte aufzuspüren, und niemand schien es auch nur im Geringsten seltsam zu finden, dass ich jedes Mal rot anlief, wenn das Thema zur Sprache kam.
     
    Während des Desserts - einer grandiosen Hochzeitstorte, die Eva Maria persönlich entworfen hatte - beugte sich Janice zu mir herüber und legte eine vergilbte Pergamentrolle vor mir auf den Tisch. Ich erkannte sie auf den ersten Blick wieder. Es handelte sich um den Brief von Giannozza an Giulietta, den Bruder Lorenzo mir im Castello Salimbeni gezeigt hatte. Mit dem einzigen Unterschied, dass das Siegel inzwischen erbrochen war.
    »Ein kleines Geschenk«, erklärte Janice und reichte mir ein gefaltetes Blatt Papier. »Das ist die englische Version. Ich habe den Brief von Bruder Lorenzo, und Eva Maria hat mir geholfen, ihn zu übersetzen.«
    Ich sah ihr an, wie sehr sie sich wünschte, dass ich den Brief gleich las, also tat ich ihr den Gefallen. Giannozzas Nachricht lautete folgendermaßen:
     
    Meine liebe Schwester,
    ich kann dir nicht sagen, wie sehr ich mich gefreut habe, nach so langer Zeit endlich wieder einen Brief von dir zu erhalten. Du kannst dir nicht vorstellen, wie traurig ich über seinen Inhalt war. Mutter und Vater tot, und auch Mino, Jacopo und der kleine Benni... Ich weiß, gar nicht, wie ich meinen Kummer in Worte fassen soll. Erst jetzt, viele Tage später, bin ich in der Lage, deinen Brief zu beantworten.
    Wäre Bruder Lorenzo jetzt hier, würde er mir zweifellos erklären, dass das alles Teil eines großen himmlischen Plans ist und ich nicht um liehe Seelen weinen sollte, die bereits wohlbehalten im Paradies angelangt sind. Aber er ist nicht hier, und du bist es ebenso wenig. Ich bin ganz allein in einem barbarischen Land. Ich wünschte, ich könnte zu dir reisen und dich sehen, liebste Schwester, denn dann könnten wir uns in diesen dunklen Zeiten gegenseitig trösten. Doch ich bin nach wie vor eine Gefangene im Hause meines Gatten, und auch wenn er die meiste Zeit im Bett liegt und täglich schwächer wird, fürchte ich doch, er könnte ewig leben. Hin und wieder wage ich mich des Nachts nach draußen, wo ich mich dann ins Gras lege und zu den Sternen emporblicke, aber von morgen an werden aufdringliche Fremde aus Rom das Haus bevölkern - Mitglieder einer gewissen Familie Gambacorta, mit denen mein Gatte Handelsbeziehungen pflegt -, so dass meine Freiheit wieder an den Fensterbrettern enden wird. Doch ich möchte dich auf keinen Fall mit meinen Sorgen ermüden, die im Vergleich zu den deinen gar nicht der Rede wert sind.
    Es tut mir leid zu hören, dass unser Onkel dich gefangen hält und du von Rachegelüsten verzehrt wirst, gerichtet gegen diesen teuflischen Schurken, S-. Liebste Schwester, ich weiß, es ist nahezu unmöglich, aber ich bitte dich dennoch, von solch zerstörerischen Gedanken Abstand zu nehmen. Vertraue darauf, dass der Himmel diesen Mann beizeiten seiner gerechten Strafe zuführen wird. Nach der Beschreibung zu urteilen, die du mir von dem jungen Romeo gegeben hast, bin ich sicher, dass er der edle Ritter ist, auf den du schon so lange wartest.
    Nun bin ich wieder froh, dass ich diejenige war, die sich in diese schreckliche Ehe begeben hat, und nicht du - schreibe mir nur öfter, liebste Schwester, und verschweige mir keine noch so kleine Einzelheit, damit ich durch dich die Liebe leben kann, die mir selbst verweigert war.
    Ich bete darum, dass dich dieser Brief lächelnd und bei guter Gesundheit erreichen wird - befreit von den Dämonen, die dich heimsuchten. So Gott will, werde ich dich bald wiedersehen, und wir werden zusammen in den Gänseblümchen liegen und vergangene Sorgen weglachen, als hätte es sie nie gegeben. In der schönen Zukunft, die uns erwartet, wirst du mit Romeo verheiratet sein, und ich werde endlich frei sein von meinen Fesseln ... Bete mit mir, meine Liebe, dass es so kommen wird.
     
    Deine dich in alle Ewigkeit liebende Schwester - G.
     
    Als ich zu lesen aufhörte, liefen sowohl Janice als auch mir die Tränen übers Gesicht. Obwohl mir nur
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