Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition)

SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition)

Titel: SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition)
Autoren: Guido Krain
Vom Netzwerk:
Mein Freund Charles hatte eine besondere Beziehung zur Zeit. Wäre jemals jemand auf die absurde Idee gekommen, dass Zeit relativ ist – Charles Eagleton hätte sich als das beste Beispiel hierfür betrachtet. Wenn er nicht arbeitete, konnte er sich wie wir alle damit amüsieren, seine Zeit bewusst mit angenehmen Dingen zu verbringen. Sobald er aber mit seinen Erfindungen beschäftigt war, schienen sich die beiden – also Charles und die Zeit – gegenseitig einfach zu vergessen.
    Wochenlang konnte er in seinem Arbeitszimmer oder in seiner Werkstatt verschwinden, um wie im Rausch an seinen Erfindungen zu basteln. Ohne Fifi, sein dampfbetriebenes Dienstmädchen, hätte er diesen Lebenswandel vermutlich irgendwann mit dem Leben bezahlt. Meiner Meinung nach war sie mit Abstand das Beste, was er jemals erfunden hatte. Sie sorgte notfalls mit sanfter Gewalt dafür, dass er genug aß. Und wenn er nach mehreren Tagen über seiner Arbeit eingeschlafen war, trug sie ihn in sein Bett. Seltsamerweise gingen diese Zeiten, in denen mein Freund seinen Körper misshandelte, vollkommen spurlos an ihm vorüber. Auch wenn er schon über dreißig war, wirkte er wie ein sportlicher junger Mann von Anfang zwanzig, der jeden Tag mit Polo, Rudern und Waldwanderungen verbrachte.
    Charles’ respektloser Umgang mit der Zeit wurde seit gut anderthalb Jahren auch noch durch eine großzügige Erbschaft unterstützt, die ihm jede Sorge um seinen Lebensunterhalt nahm. Er war einfach nicht mehr darauf angewiesen, seine Erfindungswut zu zügeln, um sich mit Gelegenheitsarbeiten oder Mathematikunterricht über Wasser zu halten. Hätte ich ihn damals schon gekannt, hätte ich alles daran gesetzt, ihn an seine menschlichen Bedürfnisse zu erinnern. Ich spreche aus eigener Erfahrung wenn ich sage, dass dauerhaft auch die wunderbarste Erfindung nicht glücklich macht, wenn man sie nicht an der Seite einer liebenden Gefährtin feiern kann.
    Aber Charles und die Damenwelt – das war wieder so ein Thema. Er kam kaum aus dem Haus und wenn er es doch einmal auf die Straße schaffte, handelte es sich um die zu seinem Club im West End. Der Black Garden Gentlemensclub war zwar einer der exklusivsten Adressen in ganz London und Charles lernte hier viele interessante Menschen kennen. Nur leider hatten Frauen zu diesem Etablissement keinen Zutritt.
    Selbst das Schicksal schien ihn wegen dieser Verweigerungshaltung an der Nase herumführen zu wollen. Wie ich bereits beim letzten Mal, als wir hier zusammensaßen, erzählte, erschien schon wenige Tage nach seiner Erbschaft eine wunderbare Kandidatin an Charles’ Haustür. Rachel Fiddlebury faszinierte meinen Freund mit ihren ausdrucksvollen Augen, ihrer Intelligenz und reizenden Unsicherheit. Zwar nannte Fifi die junge Dame nicht zu Unrecht „Miss Duckwalk“ und auch die Mimik des hübschen Dings war durch eine teilweise Gesichtslähmung sehr gewöhnungsbedürftig. Dennoch war sie meinem Freund nicht mehr aus dem Kopf gegangen.
    Seine Bemühungen Rachel wiederzusehen blieben jedoch nur sehr eingeschränkt von Erfolg gekrönt. So war er zweimal zum Tee bei der jungen Dame gewesen. Leider hatte bei diesen Stelldicheins auch Rachels griesgrämiger Vater Mortimer mit am Tisch gesessen, was der Romantik  nicht gerade zuträglich gewesen war. Zudem war Mortimer Fiddlebury der berühmteste Erfinder von ganz England und hatte alle wichtigen Kollegen mit seiner bösartigen Besserwisserei schon lange in die Flucht geschlagen. Charles war ihm da gerade recht gekommen. Endlich hatte er jemanden gefunden, der scheinbar keine Gefahr für seinen Status darstellte, ihm aber trotzdem in allen Details seiner Arbeit folgen konnte. So hatten sich die Gespräche weniger um geraspeltes Süßholz als vielmehr um die Arbeit der beiden Erfinder gedreht.
    Doch auch die Beziehung der ungleichen Männer währte nur so lange, bis die Fiddleburys den Besuch erwiderten und Fifi kennen lernten. Dabei war es nicht die Empörung darüber, dass das dampfgetriebene Dienstmädchen die beiden als „Miss Duckwalk“ und „Mister Crabber“ bezeichnete – dies machte sie so diskret, dass nur Charles es mitbekam. 
    Nein, es war Fifi selbst. Ihre bloße Existenz attestierte Charles eine Genialität, die weit jenseits von Mortimers Horizont lag. Ein von Missgunst und Ehrgeiz zerfressener Misanthrop wie er konnte damit nicht umgehen. Ohne Erklärung brach er jeden Kontakt zu Charles ab und verbot Rachel den weiteren Umgang. Mein Freund verstand
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher